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Erich Mühsam (1878-1934) · Titel: 1 2 · Beliebteste

Idyll

Ein alter, kalter Leichnam hängt
An einem Telegrafenmast.
Nach seinen Schlenkerbeinen fasst
- ob er sie fängt? -
ein ausgespreizter Eichenast.
Lautkeuchend um den Leichnam pfeift
Und um den Ast ein Windsgebrüll. –
Da bammeln beide wütend wild;
Ich seh’ im Schatten nur das Bild,
wie oft der Ast die Beine streift –
und zufasst – und daneben greift ...
Oh, welch fröhliches Idyll!

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Kind und Pfau

Im Mäntelchen mit viel Besatz
und seidener Kapotte,
im Spitzenkragen und Seidenlatz,
so steht hier die Charlotte.
Da kommt daher ein stolzer Pfau,
mit Federn, vielen hundert,
der sieht die kleine Menschenfrau, -
und beide steh'n verwundert.
Die Lotte beugt sich staundend vor,
der Pfau beugt sich zurücke
und spreizt den blauen Federflor; -
so kreuzen sich die Blicke.
"Was ist das für ein schönes Tier!"
so denken alle beide.
Er deucht ihr ganz von Golde schier,
sie deucht ihm ganz von Seide.
- Sie seh'n sich fast die Augen blind
am Kleid und an den Daunen -
und wenn sie nicht gegangen sind,
steh'n sie wohl noch und staunen.

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Kriegslied

Sengen, brennen, schießen, stechen,
Schädel spalten, Rippen brechen,
spionieren, requirieren,
patrouillieren, exerzieren,
fluchen, bluten, hungern, frieren...
So lebt der edle Kriegerstand,
die Flinte in der linken Hand,
das Messer in der rechten Hand -
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Aus dem Bett von Lehm und Jauche
zur Attacke auf dem Bauche!
Trommelfeuer - Handgranaten -
Wunden - Leichen - Heldentaten -
bravo, tapfere Soldaten!
So lebt der edle Kriegerstand,
das Eisenkreuz am Preußenband,
die Tapferkeit am Bayernband,
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Stillgestanden! Hoch die Beine!
Augen gradeaus, ihr Schweine!
Visitiert und schlecht befunden.
Keinen Urlaub. Angebunden.
Strafdienst extra sieben Stunden.
So lebt der edle Kriegerstand.
Jawohl, Herr Oberleutenant!
Und zu Befehl, Herr Leutenant!
Mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Vorwärts mit Tabak und Kümmel!
Bajonette. Schlachtgetümmel.
Vorwärts! Sterben oder Siegen!
Deutscher kennt kein Unterkriegen.
Knochen splittern, Fetzen fliegen.
So lebt der edle Kriegerstand.
Der Schweiß tropft in den Grabenrand,
das Blut tropft in den Straßenrand,
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Angeschossen - hochgeschmissen -
Bauch und Därme aufgerissen.
Rote Häuser - blauer Äther -
Teufel! Alle heiligen Väter!...
Mutter! Mutter!! Sanitäter!!!
So stirbt der edle Kriegerstand,
in Stiefel, Maul und Ohren Sand
und auf das Grab drei Schippen Sand -
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

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Kriegsgedichte

 
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Liebesweh

Zähre rieselt mir um Zähre
in des Betts zerwühltes Laken.
Bange Angstgedanken haken
sich an meiner Seele Schwere.
Schmerzgekrümmt sind meine Beine;
traurig triefend hängt der Bart
von den Tränen, die ich weine -
und die Nase trieft apart...
Ach, es ist der Traum der Liebe,
den ich durch die Seele siebe.
Ach, es ist der Liebe Weh,
das mich zwickt vom Kopf zum Zeh. -
Armes Herz! Die Träume wittern
fernen Trost. Ich spann die Ohren -
und durch meiner Seele Zittern,
fernher flüsternd, traumverloren,
murmelt ein geliebter Mund:
Schlapper Hund!

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Warum ich Welt und Menschheit nicht verfluche...

Warum ich Welt und Menschheit nicht verfluche? -
Weil ich den Menschen spüre, den ich suche!

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Was ist der Mensch...

Was ist der Mensch? Ein Magen, zwei Arme,
ein kleines Hirn und ein großer Mund,
und eine Seele, dass Gott erbarme! -
Was muss der Mensch? Muss schlafen und denken,
muss essen und feilschen und Karren lenken,
muss wuchern mit seinem halben Pfund.
Muss beten und lieben und fluchen und hassen,
muss hoffen und muss sein Glück verpassen -
und leiden wie ein geschundner Hund.

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Weihnachten

Nun ist das Fest der Weihenacht,
das Fest, das alle glücklich macht,
wo sich mit reichen Festgeschenken
Mann, Weib und Greis und Kind bedenken,
wo aller Hader wird vergessen
beim Christbaum und beim Karpfenessen; --
und Groß und Klein und Arm und Reich, --
an diesem Tag ist alles gleich.
So steht's in vielerlei Varianten
in deutschen Blättern. Alten Tanten
und Wickelkindern rollt die Zähre
ins Taschentuch ob dieser Mähre.
Papa liest's der Familie vor,
und alle lauschen und sind Ohr...
Ich sah, wie so ein Zeitungsblatt
ein armer Kerl gelesen hat.
Er hob es auf aus einer Pfütze,
dass es ihm hinterm Zaune nütze.

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Weihnachtslied

O Tannenbaum, o Tannenbaum -
sechs Zweiglein sind dein Alles.
So klein und dürr - man sieht dich kaum;
du hast in einem Stiefel Raum.
O Tannenbaum, o Tannenbaum, du Sinnbild unsres Dalles!

O Weihnachtsmann, o Weihnachtsmann -
du gehst vorbei ins Weite.
Hast ein zerfetztes Röcklein an,
bringst nichts, was Kinder freuen kann.
OWeihnächtsmann, o Weihnachtsmann,
auch dein Geschäft ist pleite.

O stille Nacht, o heilige Nacht -
in ungeheizter Stube!
Das Christkind hat sich fortgemacht.
Es schläft das Recht, die Feme wacht.
O stille Nacht, o heilige Nacht,
o Wulle und o Kube! +

O Friedensfest, o Liebesfest -
in Not und Angst Millionen! '
Und wer sich's nicht gefallen lässt,
den setzt die Republike fest.
O Friedensfest, o Liebesfest -
meim Rumfutsch oder Bohnen.

O Weihnachtszeit, o selige Zeit -
es hungern selbst die Flöhe. -
Doch ob nach Milch der Säugling schreit,
der Stahlhelmbund steht putschbereit. -
O Weihnachtszeit, o selige Zeit -
Hosianna in der Höhe!

(+ geschrieben 1925; Wulle und Kube waren Deutschnationale.)

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Wie ich dich liebe...

Wie ich dich liebe!
Denn ich liebe alle dunkeln Fragen,
die die Wahrheit hinterm Auge tragen, -
und die Worte lieb ich, die verschwiegen
auf dem Grunde einer Lüge liegen. -
Sag' mir nichts! - Ich will aus deinem Wesen
tief heraus mir jedes Goldkorn lesen; -
aus dem Schimmer der Verschwiegenheiten
will ich deiner Seele Bild bereiten;
und es soll in meinem Herzen stehn,
hauchlos rein - und nur für dich zu sehn.

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Liebeserklärungen

 
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Wiegenlied

Still, mein armes Söhnchen, sei still!
Weine mich nicht um mein bisschen Verstand.
Weißt ja noch nichts vom Vaterland,
Dass es dein Leben einst haben will,
Sollst fürs Vaterland stechen und schießen,
Sollst dein Blut in den Acker gießen,
Wenn es der Kaiser befiehlt und will.
Still, mein Söhnchen, sei still!

Trink, mein Söhnchen, von meiner Brust!
Trinke, dann wirst du ein starker Held,
Ziehst mit den andern hinaus ins Feld.
Vater hat auch hinaus gemusst.
Vater ward wider Willen und Hoffen
Von einer Kugel - ins - Herz - getroffen.
Aus ist nun seine und meine Lust.
Trink von der Mutterbrust!

Freu dich, goldiges Söhnchen, und lach!
Bist du ein Mann einst, kräftig und groß,
Wirst du das Lachen von selber los.
Fröhlich bleibt nur, wer krank und schwach.
Vater war lustig. Ich hab ihn verloren,
Hab dann dich unter Schmerzen geboren,
Hörst drum ewig mein klagendes Ach.
Freu dich, Söhnchen, und lach.

Schlaf - mein süßes Söhnchen - und schlaf!
Weißt ja noch nichts von Unheil und Not,
Weißt nichts von Vaters Heldentod,
Als ihn die bleierne Kugel traf.
Früh genug - wird der Krieg und der Schrecken
Dich zum ewigen Schlummer erwecken.
Friede, behüt meines Kindes Schlaf!
Schlaf, mein Söhnchen, o schlaf!

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Wollte nicht der Frühling kommen?

Wollte nicht der Frühling kommen?
War nicht schon die weiße Decke
von dem Rasenplatz genommen
gegenüber an der Ecke?
Nebenan die schwarze Linde
ließ sogar schon (sollt ich denken)
von besonntem Märzenwinde
kleine, grüne Knospen schwenken.
In die Herzen kam ein Hoffen,
in die Augen kam ein Flüstern -
und man ließ den Mantel offen,
und man blähte weit die Nüstern...

Ja, es waren schöne Tage.
Doch sie haben uns betrogen.
Frost und Sturm und Schnupfenplage
sind schon wieder eingezogen.
Zugeknöpft bis an den Kiefer
flieht der Mensch die Gottesfluren,
wo ein gelblichweißer, tiefer
Schnee versteckt die Frühlingsspuren.
Sturmwind pfeift um nackte Zweige,
und der Rasenplatz ist schlammig.
In mein Los ergeben neige
ich das Auge. Gottverdammich!

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