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Gedichte zum Nachdenken – Dichter 1 2 3 · Titel 1 2 3 · Beliebteste · Neueste

Christoph Klesse (geb. 1947)

Spiegelung

Ich gehe, bis an den Rand der Dunkelheit gehe ich,
ein bitterer Kelch, öffne und schließe mich.

Wie eine Muschel atme ich Welt ein und aus,
gehe durch mich hindurch.
Ich trinke mich selber aus,
Dunkelheit um Dunkelheit.

Ich erkenne mich als Bild im Spiegel,
das sich als Bild im Spiegel betrachtet,
Bild um Bild, immer kleiner, immer tiefer.

Im Spiegel betrete ich eines meiner Abbilder
nach dem andern, häute mich
und komme mir selbst nicht näher:
Ich verschlinge mich.
Bild um Bild
brauche ich auf.

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Franz Werfel (1890-1945)

Ich habe eine gute Tat getan

Herz, frohlocke!
Ich habe eine gute Tat getan.
Nun bin ich nicht mehr einsam.
Ein Mensch lebt,
Es lebt ein Mensch,
Dem die Augen sich feuchten,
Denkt er an mich.
Herz, frohlocke:
Es lebt ein Mensch!
Nicht mehr, nein, nicht mehr bin ich einsam,
Denn ich habe eine gute Tat getan.

Nun haben die seufzenden Tage ein Ende.
Tausend gute Taten will ich tun!
Ich fühle schon,
Wie mich alles liebt,
Weil ich alles liebe.
Hinström ich voll Erkenntniswonne.
Du mein letztes, süßestes,
Klarstes, reinstes, schlichtestes Gefühl:
Wohlwollen!
Tausend gute Taten will ich tun.

Schönste Befriedigung
wird mir zuteil:
Dankbarkeit,
Dankbarkeit der Welt.
Stille Gegenstände,
Werfen sich mir in die Arme.
Stille Gegenstände,
Die ich in einer erfüllten Stunde
Wie brave Tiere streichele.

Mein Schreibtisch knarrt,
Ich weiß, er will mich umarmen.
Das Klavier versucht mein Lieblingsstück zu tönen,
Geheimnisvoll und ungeschickt
Klingen alle Saiten zusammen.
Das Buch, das ich lese,
Blättert von selbst sich auf.

Ich habe eine gute Tat getan.
Einst will ich durch die grüne Natur wandern,
Da werden mich die Bäume
Und Schlingpflanzen verfolgen.
Die Kräuter und Blumen
Holen mich ein,
Tastende Wurzeln umfassen mich schon,
Zärtliche Zweige
Binden mich fest,
Blätter überrieseln mich,
Sanft wie ein dünner,
Schütterer Wassersturz.

Viele Hände greifen nach mir,
Viele grüne Hände,
Ganz umnistet
Von Liebe und Lieblichkeit
Steh ich gefangen.

Ich habe eine gute Tat getan,
Voll Freude und Wohlwollens bin ich
Und nicht mehr einsam,
Nein, nicht mehr einsam.
Frohlocke, mein Herz!

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Gustav Falke (1853-1916)

Revolution

Sie drängen nach oben,
Die lange geduckt,
Das Haupt erhoben
Wird aufgemuckt;
Wollen auch was haben
Von der Welt Gaben.
Habt lange genug allein gezecht,
Den Wein verteilt mehr schlecht als recht.
Zögernd erst, doch mählich frecher
Tappen sie nach eurem Becher,
Mit groben Fäusten und wenig eben.
Hättet willig ihr gegeben,
Das Tischtuch wäre geblieben rein.
Nun wird verschüttet viel edler Wein,
Vieles verderbt,
Wie Blut gefärbt.

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Alfred Lichtenstein (1889-1914)

Schwärmerei

Paul sagte:
Ach, wer doch ewig Auto fahren könnte –

Wir bohren uns durch hochgestielte Wälder,
Wir überholen Flächen, die sich endlos schienen.
Wir überfahren den Wind und überfallen die Dörfer, die flinken.
Aber verhasst sind uns die Gerüche der langsamen Städte –

Hei, wie wir fliegen! Immer den Tod entlang...
Wie wir ihn höhnen und ihn verspotten, der uns am Leben sitzt!
Der uns die Gräben legt und alle Straßen krümmt – ha, wir verlachen ihn
Und die Wege, die überwundenen, vergehen vor uns –

So werden wir die ganze Welt durchauteln ...
Bis wir einmal an einem heitern Abend
An einem starken Baum ein kräftges Ende finden.

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Marie Ebner-Eschenbach (1830-1916)

Im Kreise

Das eilende Schiff, es kommt durch die Wogen
wie Sturmwind geflogen.
Mit Jubel verkünden der Stimmen gar viele:
Wir nahen dem Ziele!
Der Fährmann am Steuer nur stöhnet leise:
Wir segeln im Kreise! –

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Stefan George (1868-1933)

Sprich nicht immer...

Sprich nicht immer
Von dem laub ·
Windes raub ·
Vom zerschellen
Reifer quitten ·
Von den tritten
Der vernichter
Spät im jahr.
Von dem zittern
Der libellen
In gewittern
Und der lichter
Deren flimmer
Wandelbar.

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Georg Herwegh (1817-1875)

Ich stand auf einem Berg...

Ich stand auf einem Berg, da hört' ich singen
Zur Linken plötzlich ernste, trübe Lieder;
Ein Opfer war es für die Erde wieder,
Ich kannte wohl der Glocke dumpfes Klingen.

Zur Rechten sah ich einen Säugling bringen;
Wie eines Schmetterlinges bunt Gefieder,
Viel lust'ge Bänder wehten auf und nieder,
Ein Glöckchen wollt' vor Freude schier zerspringen.

Die Andacht wagt' kein Wesen rings zu stören:
Die Herden hielten still auf ihren Weiden,
Wie fromme Beter flüsterten die Föhren.

Als ob die Glocken sich umarmt, die beiden,
Konnt' ich bald einen süßen Klang nur hören
Und Tod und Leben nicht mehr unterscheiden.

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Wilhelm Busch (1832-1908)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/wilhelm_busch.php

Die Selbstkritik...

Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
So hab ich erstens den Gewinn,
Dass ich so hübsch bescheiden bin;

Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp ich drittens diesen Bissen
vorweg den andren Kritiküssen;

Zum vierten hoff ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es dann zuletzt heraus,
Dass ich ein ganz famoses Haus.

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Rainer Maria Rilke (1875-1926)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/rilke.php

Die Könige der Welt sind alt...

Die Könige der Welt sind alt
und werden keine Erben haben.
Die Söhne sterben schon als Knaben,
und ihre bleichen Töchter gaben
die kranken Kronen der Gewalt.

Der Pöbel bricht sie klein zu Geld,
der zeitgemäße Herr der Welt
dehnt sie im Feuer zu Maschinen,
die seinem Wollen grollend dienen;
aber das Glück ist nicht mit ihnen.

Das Erz hat Heimweh. Und verlassen
will es die Münzen und die Räder,
die es ein kleines Leben lehren.
Und aus Fabriken und aus Kassen
wird es zurück in das Geäder
der aufgetanen Berge kehren,
die sich verschließen hinter ihm.

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Nikolaus Lenau (1802-1850)

An den Frühling 1838

Lieber Frühling, sage mir,
Denn du bist Prophet,
Ob man auf dem Wege hier
Einst zum Heile geht?

Mitten durch den grünen Hain,
Ungestümer Hast,
Frisst die Eisenbahn herein,
Dir ein schlimmer Gast.

Bäume fallen links und rechts,
Wo sie vorwärts bricht,
Deines blühenden Geschlechts
Schont die raue nicht.

Auch die Eiche wird gefällt,
Die den frommen Schild
Ihrem Feind entgegenhält,
Das Marienbild.

Küsse deinen letzten Kuss,
Frühling, süß und warm!
Eiche und Maria muss
Fort aus deinem Arm!

Pfeilgeschwind und schnurgerad,
Nimmt der Wagen bald
Blüt und Andacht unters Rad,
Sausend durch den Wald.

Lieber Lenz, ich frage dich,
Holt, wie er vertraut,
Hier der Mensch die Freiheit sich,
Die ersehnte Braut?

Lohnt ein schöner Freudenkranz
Deine Opfer einst,
Wenn du mit dem Sonnenglanz
Über Freie scheinst?

Oder ist dies Wort ein Wahn,
Und erjagen wir
Nur auf unsrer Sturmesbahn
Gold und Sinnengier?

Zieht der alte Fesselschmied
Jetzt von Land zu Land,
Hämmernd, schweißend Glied an Glied
Unser Eisenband?

Braust dem Zug dein Segen zu,
Wenns vorüberschnaubt?
Oder, Frühling, schüttelst du
Traurig einst dein Haupt?

Doch du lächelst freudenvoll
Auf das Werk des Beils,
Dass ich lieber glauben soll
An die Bahn des Heils.

Amselruf und Finkenschlag
Jubeln drein so laut,
Dass ich lieber hoffen mag
Die ersehnte Braut.

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Wilhelm Busch (1832-1908)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/wilhelm_busch.php

Der Knoten

Als ich in Jugendtagen
Noch ohne Grübelei,
Da meint ich mit Behagen,
Mein Denken wäre frei.

Seitdem hab ich die Stirne
Oft auf die Hand gestützt
Und fand, dass im Gehirne
Ein harter Knoten sitzt.

Mein Stolz, der wurde kleiner.
Ich merkte mit Verdruss:
Es kann doch unsereiner
Nur denken, wie er muss.

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Sophokles (ca. 497-405)

Ungeheuer ist viel...

Ungeheuer ist viel. Doch nichts
Ungeheuerer, als der Mensch.
Denn der, über die Nacht
Des Meers, wenn gegen den Winter wehet
Der Südwind, fähret er aus
In geflügelten sausenden Häusern.
Und der Himmlischen erhabene Erde,
Die unverderbliche, unermüdete,
Reibet er auf; mit dem strebenden Pfluge,
Von Jahr zu Jahr,
Treibt sein Verkehr er, mit dem Rossegeschlecht,
Und leichtträumender Vögel Welt
Bestrickt er, und jagt sie;
Und wilder Tiere Zug,
Und des Pontos salzbelebte Natur
Mit gesponnenen Netzen,
Der kundige Mann.
Und fängt mit Künsten das Wild,
Das auf Bergen übernachtet und schweift.
Und dem raumähnigen Rosse wirft er um
Den Nacken das Joch, und dem Berge
Bewandelnden unbezähmten Stier.

Und die Red und den luftigen
Gedanken und städtebeherrschenden Stolz
Hat erlernet er, und übelwohnender
Hügel feuchte Lüfte, und
Die unglücklichen zu fliehen, die Pfeile. Allbewandert,
Unbewandert. Zu nichts kommt er.
Der Toten künftigen Ort nur
Zu fliehen weiß er nicht,
Und die Flucht unbeholfener Seuchen
Zu überdenken.
Von Weisem etwas, und das Geschickte der Kunst
Mehr, als er hoffen kann, besitzend,
Kommt einmal er auf Schlimmes, das andre zu Gutem.
Die Gesetze kränkt er, der Erd und Naturgewaltger
Beschwornes Gewissen;
Hochstädtisch kommt, unstädtisch
Zu nichts er, wo das Schöne
Mit ihm ist und mit Frechheit.
Nicht sei am Herde mit mir,
Noch gleichgesinnet,
Wer solches tut.

(Aus einem Chorlied der Tragödie "Antigone". Übersetzt aus dem Altgriechischen von Friedrich Hölderlin.)

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Hans-Peter Kraus (geb. 1965)
www.das-poetische-stacheltier.de/dichter-einzeln-1.php

Ich töte dich

Ich töte dich, weil du ein Kind vergewaltigt hast.
Ich töte dich, weil ich dich liebe.
Ich töte dich, damit du mich nicht tötest.
Ich töte dich im Namen Pupols des Zweiten.
Ich töte dich, weil mir die Zigaretten ausgegangen sind.
Ich töte dich, weil heute der 8. November ist.
Ich töte dich im Namen des Herrn.
Ich töte dich, um meinen Bruder zu rächen.
Ich töte dich, weil du eine Frau bist.
Ich töte dich, weil meine Mannschaft verloren hat.
Ich töte dich, um berühmt zu werden.
Ich töte dich im Namen des Volkes.
Ich töte dich, weil du der Feind bist.
Ich töte dich, weil ich Köpfe sammle.
Ich töte dich, weil es mir befohlen wurde.
Ich töte dich, um dich zu erlösen.
Ich töte dich, weil du zu viel Geld hast.
Ich töte dich, weil mir keine andere Wahl bleibt.
Ich töte dich im Namen der Gerechtigkeit.
Ich töte dich, weil ich schlechte Laune habe.
Ich töte dich, weil du ein Ungläubiger bist.
Ich töte dich, um mein Eigentum zu verteidigen.
Ich töte dich, weil du nicht gehorcht hast.
Ich töte dich, weil’s Spaß macht.
Ich töte dich, weil ich dich hasse.
Ich töte dich, weil ich als Kind geschlagen wurde.
Ich töte dich im Namen der Revolution.
Ich töte dich, damit es regnet.
Ich töte dich, um mein Gewehr auszuprobieren.
Ich töte dich, weil du schlecht bist.
Ich töte dich, weil ich es kann.
Fortsetzung folgt …

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Hans-Peter Kraus (geb. 1965)
www.das-poetische-stacheltier.de/dichter-einzeln-1.php

Die Scheidung der Geister

Woran erkennt man jene, die verrückt sind?
Wenn welche nach ein paar heißen Tagen
das Unkraut zwischen den Gehsteigplatten
gießen, daran erkennt man jene, die verrückt sind.

Woran erkennt man jene, die das Leben lieben?
Wenn welche nach ein paar heißen Tagen
das Unkraut zwischen den Gehsteigplatten
gießen, daran erkennt man jene, die das Leben lieben.

Worin besteht
der Unterschied?

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Hans-Peter Kraus (geb. 1965)
www.das-poetische-stacheltier.de/dichter-einzeln-1.php

Betrachtungen eines Außenseiters

Sie haben Jobs,
sie haben Freunde,
sie feiern Feste,
sie verlieben sich,
sie heiraten,
sie fliegen in ferne Länder,
sie haben Hunde,
sie haben Kinder,
sie fahren große Autos
und manche
bauen gar ein Haus.
Sie leben ihr Leben,
wie man das Leben leben soll.
Wie machen die das bloß?

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