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Ernst Stadler (1883-1914)

Abendschluss

Die Uhren schlagen sieben.
Nun gehen überall in der Stadt die Geschäfte aus.
Aus schon umdunkelten Hausfluren, durch enge Winkelhöfe aus protzigen Hallen drängen sich die Verkäuferinnen heraus.
Noch ein wenig blind und wie betäubt vom langen Eingeschlossensein
Treten sie, leise erregt, in die wollüstige Helle und die sanfte Offenheit des Sommerabends ein.
Griesgrämige Straßenzüge leuchten auf und schlagen mit einem Male helleren Takt,
Alle Trottoirs sind eng mit bunten Blusen und Mädchengelächter vollgepackt.
Wie ein See, durch den das starke Treiben eines jungen Flusses wühlt,
Ist die ganze Stadt von Jugend und Heimkehr überspült.
Zwischen die gleichgiltigen Gesichter der Vorübergehenden ist ein vielfältiges Schicksal gestellt –
Die Erregung jungen Lebens, vom Feuer dieser Abendstunde überhellt,
In deren Süße alles Dunkle sich verklärt und alles Schwere schmilzt, als wär es leicht und frei,
Und als warte nicht schon, durch wenig Stunden getrennt, das triste Einerlei
Der täglichen Fron – als warte nicht Heimkehr, Gewinkel schmutziger Vorstadthäuser, zwischen nackte Mietskasernen gekeilt,
Karges Mahl, Beklommenheit der Familienstube und die enge Nachtkammer, mit den kleinen Geschwistern geteilt,
Und kurzer Schlaf, den schon die erste Frühe aus dem Goldland der Träume hetzt –
All das ist jetzt ganz weit – von Abend zugedeckt – und doch schon da, und wartend wie ein böses Tier, das sich zur Beute niedersetzt,
Und selbst die Glücklichsten, die leicht mit schlankem Schritt
Am Arm des Liebsten tänzeln, tragen in der Einsamkeit der Augen einen fernen Schatten mit.
Und manchmal, wenn von ungefähr der Blick der Mädchen im Gespräch zu Boden fällt,
Geschieht es, dass ein Schreckgesicht mit höhnischer Grimasse ihrer Fröhlichkeit den Weg verstellt.
Dann schmiegen sie sich enger, und die Hand erzittert, die den Arm des Freundes greift,
Als stände schon das Alter hinter ihnen, das ihr Leben dem Verlöschen in der Dunkelheit entgegenschleift.

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