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Religiöse Gedichte – Dichter 1 2 3 · Titel 1 2 3 · Beliebteste · Neueste

Dogen (1200-1253)

Ach, den Wolken gleich...

Ach, den Wolken gleich treiben wir durch Geburten und Tode!
Den Pfad des Unwissens und den Pfad der Erleuchtung - wir wandeln sie träumend.
In meinem Gedächtnis haftet nur eins, auch nach dem Erwachen:
Des Regens Rauschen, dem einst des Nachts in der Hütte ich lauschte.

(aus dem Japanischen von ?)

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Heinrich Heine (1797-1856)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/heinrich_heine.php

Adam der Erste

Du schicktest mit dem Flammenschwert
Den himmlischen Gendarmen,
Und jagtest mich aus dem Paradies,
Ganz ohne Recht und Erbarmen!

Ich ziehe fort mit meiner Frau
Nach andren Erdenländern;
Doch dass ich genossen des Wissens Frucht,
Das kannst du nicht mehr ändern.

Du kannst nicht ändern, dass ich weiß,
Wie sehr du klein und nichtig,
Und machst du dich auch noch so sehr
Durch Tod und Donnern wichtig.

O Gott! wie erbärmlich ist doch dies
Consilium abeundi!
Das nenne ich einen Magnifikus
Der Welt, ein lumen mundi!

Vermissen werde ich nimmermehr
Die paradiesischen Räume;
Das war kein wahres Paradies -
Es gab dort verbotene Bäume.

Ich will mein volles Freiheitsrecht!
Find ich die g'ringste Beschränknis,
Verwandelt sich mir das Paradies
In Hölle und Gefängnis.

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John Milton (1608-1674)

An die Zeit

Flieh neidsche Zeit, bis du dein Ziel erreichet,
Beschleunige der Stunden schweren Gang,
Des Eile nur dem Schritt des Senkbleis gleichet,
Es sättige dich was dein Rachen schlang,
Das Eitle, Falsche, denn nur das wird dein,
Nur Erdentand und Staub;
So wenig ist dein Raub,
Und der Verlust so klein.
Wirst endlich alles Böse du begraben,
Zuletzt die eigne Gier verzehret haben,
Dann nahet Ewigkeit mit hohem Gruß
Und bringt den unteilbaren Kuss;
Und einer Flut gleich wird die Freude steigen,
Wenn jedes wahrhaft Gute sich wird zeigen,
Das Göttliche hell scheinen
Und Wahrheit, Friede, Liebe sich vereinen
Um dessen Thron zu schweben,
Zu dem wir uns im Himmelsflug erheben,
Ihn anzuschaun durch alle Ewigkeit,
Tief unter uns die dunkle Erdenbahn,
Ruhn ewig wir, in Sternen angetan,
Erhaben über Zufall, Tod und dich, o Zeit.

(aus dem Englischen von Arthur Schopenhauer)

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Friedrich Hölderlin (1770-1843)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/hoelderlin.php

An eine Rose

Ewig trägt im Mutterschoße,
Süße Königin der Flur!
Dich und mich die stille, große,
Allbelebende Natur;
Röschen! unser Schmuck veraltet,
Stürm entblättern dich und mich,
Doch der ewge Keim entfaltet
Bald zu neuer Blüte sich.

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Johann Gottfried Herder (1744-1803)

Auf Luther's Bild

Guter schwarzer Mönch, mit starkem Arme begannst Du
Auszufegen den Staub, der die Altäre verbarg;
Aber schnell entrissen Dir Andre das säubernde Werkzeug,
Lasen vom Staube das Gold, hingen den Besen sich auf.
Und nun steht der entgüldete Altar in ärgerem Staube
Ohne Säuberung; Gold können sie fegen nicht mehr.

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Friedrich Hölderlin (1770-1843)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/hoelderlin.php

Da ich ein Knabe war...

Da ich ein Knabe war,
Rettet’ ein Gott mich oft
Vom Geschrei und der Rute der Menschen,
Da spielt ich sicher und gut
Mit den Blumen des Hains,
Und die Lüftchen des Himmels
Spielten mit mir.

Und wie du das Herz
Der Pflanzen erfreust,
Wenn sie entgegen dir
Die zarten Arme strecken,
So hast du mein Herz erfreut,
Vater Helios! und, wie Endymion,
War ich dein Liebling,
Heilige Luna!

O all ihr treuen
Freundlichen Götter!
Dass ihr wüsstet,
Wie euch meine Seele geliebt!

Zwar damals rief ich noch nicht
Euch mit Namen, auch ihr
Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen,
Als kennten sie sich.

Doch kannt ich euch besser,
Als ich je die Menschen gekannt,
Ich verstand die Stille des Äthers
Der Menschen Worte verstand ich nie.

Mich erzog der Wohllaut
Des säuselnden Hains
Und lieben lernt ich
Unter den Blumen.

Im Arme der Götter wuchs ich groß.

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Georg Heym (1887-1912)

Der Gott der Stadt

Auf einem Häuserblocke sitzt er breit,
Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.
Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit
Die letzten Häuser in das Land verirrn.

Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal,
Die großen Städte knien um ihn her.
Der Kirchenglocken ungeheure Zahl
Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.

Wie Korybanten-Tanz dröhnt die Musik
Der Millionen durch die Straßen laut.
Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik
Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.

Das Wetter schwelt in seinen Augenbrauen.
Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.
Die Stürme flattern, die wie Geier schauen
Von einem Haupthaar, das im Zorne sträubt.

Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust,
Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt
Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust
Und frisst sie auf, bis spät der Morgen tagt.

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Christian Morgenstern (1871-1914)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/morgenstern.php

Der Hecht

Ein Hecht, vom heiligen Anton
bekehrt, beschloss, samt Frau und Sohn,
am vegetarischen Gedanken
moralisch sich emporzuranken.

Er aß seit jenem nur noch dies:
Seegras, Seerose und Seegrieß.
Doch Grieß, Gras, Rose floss,
o Graus, entsetzlich wieder hinten aus.

Der ganze Teich ward angesteckt.
Fünfhundert Fische sind verreckt.
Doch Sankt Anton, gerufen eilig,
sprach nichts als »Heilig! heilig! heilig!«

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Edda (9.-12. Jahrhundert)

Der Seherin Weissagung

Allen Edeln gebiet ich Andacht,
Hohen und Niedern von Heimdalls Geschlecht;
Ich will Walvaters Wirken künden,
Die ältesten Sagen, der ich mich entsinne,

Riesen acht ich die Urgebornen,
Die mich vor Zeiten erzogen haben.
Neun Welten kenn ich, neun Äste weiß ich
An dem starken Stamm im Staub der Erde.

Einst war das Alter, da Ymir lebte:
Da war nicht Sand nicht See, nicht salzge Wellen,
Nicht Erde fand sich noch Überhimmel,
Gähnender Abgrund und Gras nirgend.

Bis Börs Söhne die Bälle erhuben,
Sie die das mächtige Midgard schufen.
Die Sonne von Süden schien auf die Felsen
Und dem Grund entgrünte grüner Lauch.

Die Sonne von Süden, des Mondes Gesellin,
Hielt mit der rechten Hand die Himmelrosse.
Sonne wusste nicht wo sie Sitz hätte,
Mond wusste nicht was er Macht hätte,
Die Sterne wussten nicht wo sie Stätte hatten.

Da gingen die Berather zu den Richterstühlen,
Hochheilge Götter hielten Rat.
Der Nacht und dem Neumond gaben sie Namen,
Hießen Morgen und Mitte des Tags,
Under und Abend, die Zeiten zu ordnen.

(Anfang des 1. Liedes; aus dem Isländischen von Karl Simrock)

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Franziskus von Assisi (1181/2-1226)

Der Sonnengesang

Höchster, allmächtiger, gütiger Herr,
Dein ist der Preis und der Ruhm und die Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Allerhöchster, gebühren sie,
Und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.

Gepriesen seist du, Herr, mit allen deinen Kreaturen;
Besonders mit der edlen Schwester Sonne,
Die uns den Tag bewirkt und uns erleuchtet durch ihr Licht.
Und schön ist sie und strahlt in großem Glanze. Von dir, o Allerhöchster, ist sie Sinnbild.

Gepriesen seist du, Herr, durch den Bruder, den Mond und durch die Sterne;
Am Himmel hast du sie gebildet köstlich, hell und schön.

Gepriesen seist du, Herr, durch den Bruder, den Wind,
Auch durch die Luft und Wolken, durch heitere und jede Witterung,
Durch welche du Erhaltung schenkest deinen Kreaturen.

Gepriesen seist du, Herr, durch den Bruder, das Wasser,
Das nützlich ist gar sehr, demütig, kostbar und keusch.

Gepriesen seist du, Herr, durch unsern Bruder, das Feuer,
Durch welches du die Nacht erleuchtest.
Und es ist schön und freudespendend, stark und mächtig.

Gepriesen seist du, Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde,
Die uns ernährt und regiert
Und mannigfache Früchte trägt und bunte Blumen und Kräuter.

Gepriesen seist du, Herr, durch jene, die aus Liebe zu dir verzeihen
Und Schwachheit und auch Trübsal leiden. Selig, die in Frieden dulden,
Weil sie von dir, o Allerhöchster, einst gekrönet werden.

Gepriesen seist du, Herr, durch unsern Bruder, den leiblichen Tod,
Dem nie ein Lebender entrinnen kann.
Weh‘ jenen, die in schwerer Sünde sterben!
Glückselig jene, die in deinen heiligen Willen sind ergeben,
Denn ihnen wird der zweite Tod kein Leides tun.

Lobet und preiset den Herrn und danket ihm
Und dienet ihm mit großer Demut!

(aus dem Italienischen von Maternus Rederstorff)

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Rigveda (entstanden 1750-1200)

Der Uranfang

Weder ein Etwas war damals, noch auch ein Nichts war das Weltall,
Nicht bestand der Luftraum, noch war der Himmel darüber.
Wo war der Hüter der Welt? Was war ihr Inhalt und welches
Ihre Umhüllung? Was war die Meerflut, die grundlose tiefe?

Nicht regierte der Tod, noch gab es Unsterblichkeit damals,
Und es fehlte das scheidende Zeichen von Tagen und Nächten.
Eins nur atmete ohne zu hauchen aus eigenem Antrieb,
Und kein anderes zweites war außer diesem vorhanden.

Dunkelheit war im Beginne in Dunkelheit gänzlich versunken.
Nebelhaft nur, ein Wassergewoge war damals das Ganze;
Als lebendiger Keim von dem toten Gewoge umfangen,
Ließ sich das Eine gebären von feurigem Drange getrieben.

Über das Eine ist anfangs ein liebendes Sehnen gekommen,
Aus bloßen Gedanken entspross der früheste Same.
Also fanden das Band, das Sein mit Nichtsein verknüpfet,
In der Vergangenheit forschend die Weisen mit sinnendem Herzen.

Helle verbreitend drang mitten hindurch ihr geistiges Auge.
Gab es denn damals ein Unten, und gab es schon damals ein Oben?
Sämende Kräfte, sie wirkten, es wirkten die Triebe ins Weite;
Unten die wollende Kraft und oben das männliche Drängen.

Aber wer weiß es gewiss, und wer kann auf Erden erklären:
Woher ist sie entsprungen, von wannen kam sie, die Schöpfung?
Götter sind später entstanden im Laufe der Weltenerschaffung.
Wer weiß also, von wannen die erste Entwicklung gekommen?

Unsere Schöpfung, von wannen sie ihre Entwicklung genommen,
Sei es, dass er sie bereitet hat, sei es auch nicht so -
Der sie als schirmendes Auge vom obersten Himmel beschauet,
Der nur weiß es gewiss! Und wenn selbst er es nicht wüsste?

(aus dem Sanskrit von Karl Friedrich Geldner)

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Angelus Silesius (1624-1677)

Die geheime Himmelfahrt

Wenn du dich über dich erhebst und lässt Gott walten,
So wird in deinem Geist die Himmelfahrt gehalten.

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Friedrich von Schiller (1759-1805)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/schiller.php

Die Götter Griechenlands

Da ihr noch die schöne Welt regieret,
An der Freude leichtem Gängelband
Selige Geschlechter noch geführet,
Schöne Wesen aus dem Fabelland!
Ach, da euer Wonnedienst noch glänzte,
Wie ganz anders, anders war es da!
Da man deine Tempel noch bekränzte,
Venus Amathusia!

Da der Dichtung zauberische Hülle
Sich noch lieblich um die Wahrheit wand -
Durch die Schöpfung floss da Lebensfülle,
Und was nie empfinden wird, empfand.
An der Liebe Busen sie zu drücken,
Gab man höhern Adel der Natur,
Alles wies den eingeweihten Blicken,
Alles eines Gottes Spur.

Wo jetzt nur, wie unsre Weisen sagen,
Seelenlos ein Feuerball sich dreht,
Lenkte damals seinen goldnen Wagen
Helios in stiller Majestät.
Diese Höhen füllten Oreaden,
Eine Dryas lebt' in jenem Baum,
Aus den Urnen lieblicher Najaden
Sprang der Ströme Silberschaum.

Jener Lorbeer wand sich einst um Hilfe,
Tantals Tochter schweigt in diesem Stein,
Syrinx' Klage tönt' aus jenem Schilfe,
Philomelas Schmerz aus diesem Hain.
Jener Bach empfing Demeters Zähre,
Die sie um Persephonen geweint,
Und von diesem Hügel rief Cythere,
Ach umsonst! dem schönen Freund.

Zu Deukalions Geschlechte stiegen
Damals noch die Himmlischen herab,
Pyrrhas schöne Töchter zu besiegen,
Nahm der Leto Sohn den Hirtenstab.
Zwischen Menschen, Göttern und Heroen
Knüpfte Amor einen schönen Bund,
Sterbliche mit Göttern und Heroen
Huldigten in Amathunt.

Finstrer Ernst und trauriges Entsagen
War aus eurem heitern Dienst verbannt,
Glücklich sollten alle Herzen schlagen,
Denn euch war der Glückliche verwandt.
Damals war nichts heilig als das Schöne,
Keiner Freude schämte sich der Gott,
Wo die keusch errötende Kamöne,
Wo die Grazie gebot.

Eure Tempel lachten gleich Palästen,
Euch verherrlichte das Heldenspiel
An des Isthmus kronenreichen Festen,
Und die Wagen donnerten zum Ziel.
Schön geschlungne seelenvolle Tänze
Kreisten um den prangenden Altar,
Eure Schläfe schmückten Siegeskränze,
Kronen euer duftend Haar.

Das Evoë muntrer Thyrsusschwinger
Und der Panther prächtiges Gespann
Meldeten den großen Freudebringer,
Faun und Satyr taumeln ihm voran,
Um ihn springen rasende Mänaden,
Ihre Tänze loben seinen Wein,
Und des Wirtes braune Wangen laden
Lustig zu dem Becher ein.

Damals trat kein grässliches Gerippe
Vor das Bett des Sterbenden. Ein Kuss
Nahm das letzte Leben von der Lippe,
Seine Fackel senkt' ein Genius.
Selbst des Orkus strenge Richterwaage
Hielt der Enkel einer Sterblichen,
Und des Thrakers seelenvolle Klage
Rührte die Erinnyen.

Seine Freuden traf der frohe Schatten
In Elysiens Hainen wieder an,
Treue Liebe fand den treuen Gatten
Und der Wagenlenker seine Bahn,
Linus' Spiel tönt die gewohnten Lieder,
In Alcestens Arme sinkt Admet,
Seinen Freund erkennt Orestes wieder,
Seine Pfeile Philoktet.

Höhre Preise stärkten da den Ringer
Auf der Tugend arbeitvoller Bahn,
Großer Taten herrliche Vollbringer
Klimmten zu den Seligen hinan.
Vor dem Wiederforderer der Toten
Neigte sich der Götter stille Schar;
Durch die Fluten leuchtet dem Piloten
Vom Olymp das Zwillingspaar.

Schöne Welt, wo bist du? Kehre wieder,
Holdes Blütenalter der Natur!
Ach, nur in dem Feenland der Lieder
Lebt noch deine fabelhafte Spur.
Ausgestorben trauert das Gefilde,
Keine Gottheit zeigt sich meinem Blick,
Ach, von jenem lebenswarmen Bilde
Blieb der Schatten nur zurück.

Alle jene Blüten sind gefallen
Von des Nordes schauerlichem Wehn,
Einen zu bereichern unter allen,
Musste diese Götterwelt vergehn.
Traurig such ich an dem Sternenbogen,
Dich, Selene, find ich dort nicht mehr,
Durch die Wälder ruf ich, durch die Wogen,
Ach, sie widerhallen leer!

Unbewusst der Freuden, die sie schenket,
Nie entzückt von ihrer Herrlichkeit,
Nie gewahr des Geistes, der sie lenket,
Sel’ger nie durch meine Seligkeit,
Fühllos selbst für ihres Künstlers Ehre,
Gleich dem toten Schlag der Pendeluhr,
Dient sie knechtisch dem Gesetz der Schwere,
Die entgötterte Natur.

Morgen wieder neu sich zu entbinden,
Wühlt sie heute sich ihr eignes Grab,
Und an ewig gleicher Spindel winden
Sich von selbst die Monde auf und ab.
Müßig kehrten zu dem Dichterlande
Heim die Götter, unnütz einer Welt,
Die, entwachsen ihrem Gängelbande,
Sich durch eignes Schweben hält.

Ja, sie kehrten heim, und alles Schöne,
Alles Hohe nahmen sie mit fort,
Alle Farben, alle Lebenstöne,
Und uns blieb nur das entseelte Wort.
Aus der Zeitflut weggerissen, schweben
Sie gerettet auf des Pindus Höhn,
Was unsterblich im Gesang soll leben,
Muss im Leben untergehn.

(2. Fassung, 1793-1800)

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Johann Martin Miller (1750-1814)

Die Zufriedenheit

Was frag' ich viel nach Geld und Gut,
Wenn ich zufrieden bin!
Gibt Gott mir nur gesundes Blut,
So hab' ich frohen Sinn,
Und sing' aus dankbarem Gemüt
Mein Morgen- und mein Abendlied.

So mancher schwimmt im Überfluss,
Hat Haus und Hof und Geld;
Und ist doch immer voll Verdruss,
Und freut sich nicht der Welt.
Je mehr er hat, je mehr er will;
Nie schweigen seine Klagen still.

Da heißt die Welt ein Jammertal,
Und deucht mir doch so schön;
Hat Freuden ohne Maß und Zahl,
Lässt keinen leer ausgehn.
Das Käferlein und Vögelein
Darf sich ja auch des Maien freun.

Und uns zuliebe schmücken ja
Sich Wiese, Berg und Wald;
Und Vögel singen fern und nah,
Dass alles wiederhallt. –
Bei'r Arbeit singt die Lerch' uns zu,
Die Nachtigall bei'r süßen Ruh'.

Und wenn die goldne Sonn' aufgeht,
Und golden wird die Welt,
Und alles in der Blüte steht,
Und Ähren trägt das Feld:
Dann denk' ich, alle diese Pracht
Hat Gott zu meiner Lust gemacht.

Dann preis' ich Gott, und lobe Gott,
Und schweb' in hohem Mut;
Und denk', es ist ein lieber Gott,
Und meint's mit Menschen gut;
Drum will ich immer dankbar sein,
Und mich ob seiner Güte freun!

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Joseph von Eichendorff (1788-1857)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/eichendorff.php

Es wandelt, was wir schauen...

Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
Die Lust hat eignes Grauen,
Und alles hat den Tod.

Ins Leben schleicht das Leiden
Sich heimlich wie ein Dieb,
Wir alle müssen scheiden
Von allem, was uns lieb.

Was gäb es doch auf Erden,
Wer hielt' den Jammer aus,
Wer möcht geboren werden,
Hieltst du nicht droben Haus!

Du bist's, der, was wir bauen,
Mild über uns zerbricht,
Dass wir den Himmel schauen -
Darum so klag ich nicht.

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