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Gedichte zum Nachdenken – Dichter 1 2 3 · Titel 1 2 3 · Beliebteste · Neueste

Stefan George (1868-1933)

Porta Nigra

Dass ich zu eurer zeit erwachen musste
Der ich die pracht der Treverstadt gekannt
Da sie den ruhm der schwester Roma teilte ·
Da auge glühend groß die züge traf
Der klirrenden legionen · in der rennbahn
Die blonden Franken die mit löwen stritten ·
Die tuben vor palästen und den Gott
Augustus purpurn auf den goldnen wagen!

Hier zog die Mosel zwischen heitren villen..
O welch ein taumel klang beim fest des weines!
Die mädchen trugen urnen lebensschwellend -
Kaum kenn ich diese trümmer · an den resten
Der kaiserlichen mauern leckt der nebel ·
Entweiht in särgen liegen heilige bilder ·
Daneben hingewühlt barbarenhöhlen..
Nur aufrecht steht noch mein geliebtes tor!

Im schwarzen flor der zeiten doch voll stolz
Wirft es aus hundert fenstern die verachtung
Auf eure schlechten hütten (reisst es ein
W as euch so dauernd höhnt!) auf eure menschen:
Die fürsten priester knechte gleicher art
Gedunsne larven mit erloschnen blicken
Und frauen die ein sklav zu feil befände -
Was gelten alle dinge die ihr rühmet:

Das edelste ging euch verloren: blut..
Wir schatten atmen kräftiger! lebendige
Gespenster! lacht der knabe Manlius..
Er möchte über euch kein zepter schwingen
Der sich des niedrigsten erwerbs beflissen
Den ihr zu nennen scheut - ich ging gesalbt
Mit perserdüften um dies nächtige tor
Und gab mich preis den söldnern der Cäsaren!

(Die Porta Nigra ist ein ca. 1800 Jahre altes Römisches Stadttor und Wahrzeichen der Stadt Trier.)

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Franz Grillparzer (1791-1872)

Prostitution

Was soll das sittliche Gekreisch
Verdammend die und jene?
Am Tische hasst nur der das Fleisch,
Der selber ohne Zähne.

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Gustav Falke (1853-1916)

Revolution

Sie drängen nach oben,
Die lange geduckt,
Das Haupt erhoben
Wird aufgemuckt;
Wollen auch was haben
Von der Welt Gaben.
Habt lange genug allein gezecht,
Den Wein verteilt mehr schlecht als recht.
Zögernd erst, doch mählich frecher
Tappen sie nach eurem Becher,
Mit groben Fäusten und wenig eben.
Hättet willig ihr gegeben,
Das Tischtuch wäre geblieben rein.
Nun wird verschüttet viel edler Wein,
Vieles verderbt,
Wie Blut gefärbt.

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Alfred Lichtenstein (1889-1914)

Schwärmerei

Paul sagte:
Ach, wer doch ewig Auto fahren könnte –

Wir bohren uns durch hochgestielte Wälder,
Wir überholen Flächen, die sich endlos schienen.
Wir überfahren den Wind und überfallen die Dörfer, die flinken.
Aber verhasst sind uns die Gerüche der langsamen Städte –

Hei, wie wir fliegen! Immer den Tod entlang...
Wie wir ihn höhnen und ihn verspotten, der uns am Leben sitzt!
Der uns die Gräben legt und alle Straßen krümmt – ha, wir verlachen ihn
Und die Wege, die überwundenen, vergehen vor uns –

So werden wir die ganze Welt durchauteln ...
Bis wir einmal an einem heitern Abend
An einem starken Baum ein kräftges Ende finden.

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Christian Wernicke (1661-1725)

Schweigen und Reden

Es hat ein jeder Mensch mehr Fehler zu verstecken,
Als er Geschicklichkeit der Welt hat zu entdecken;
Drum kommt der immer besser an,
Wer schweigen, als wer reden kann.
Denn weil sich jener nur allein von außen zeigt,
So zeiget dieser sich von innen:
Man kann sehr viel bei dem der schweigt
Verlieren; und sehr viel bei dem der spricht, gewinnen.

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Rainer Maria Rilke (1875-1926)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/rilke.php

Sonett an Orpheus I/14

Wir gehen um mit Blume, Weinblatt, Frucht.
Sie sprechen nicht die Sprache nur des Jahres.
Aus Dunkel steigt ein buntes Offenbares
und hat vielleicht den Glanz der Eifersucht

der Toten an sich, die die Erde stärken.
Was wissen wir von ihrem Teil an dem?
Es ist seit lange ihre Art, den Lehm
mit ihrem freien Marke zu durchmärken.

Nun fragt sich nur: tun sie es gern?...
Drängt diese Frucht, ein Werk von schweren Sklaven,
geballt zu uns empor, zu ihren Herrn?

Sind sie die Herrn, die bei den Wurzeln schlafen,
und gönnen uns aus ihren Überflüssen
dies Zwischending aus stummer Kraft und Küssen?

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Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)

Sonett der Seele

Willensdrang von tausend Wesen
Wogt in uns vereint, verklärt:
Feuer loht und Rebe gärt
Und sie locken uns zum Bösen.

Tiergewalten, kampfbewährt,
Herrengaben, auserlesen,
Eignen uns und wir verwesen
Einer Welt ererbten Wert.

Wenn wir unsrer Seele lauschen,
Hören wirs wie Eisen klirren,
Rätselhafte Quellen rauschen,

Stille Vögelflüge schwirren...
Und wir fühlen uns verwandt
Weltenkräften unerkannt.

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Christoph Klesse (geb. 1947)

Spiegelung

Ich gehe, bis an den Rand der Dunkelheit gehe ich,
ein bitterer Kelch, öffne und schließe mich.

Wie eine Muschel atme ich Welt ein und aus,
gehe durch mich hindurch.
Ich trinke mich selber aus,
Dunkelheit um Dunkelheit.

Ich erkenne mich als Bild im Spiegel,
das sich als Bild im Spiegel betrachtet,
Bild um Bild, immer kleiner, immer tiefer.

Im Spiegel betrete ich eines meiner Abbilder
nach dem andern, häute mich
und komme mir selbst nicht näher:
Ich verschlinge mich.
Bild um Bild
brauche ich auf.

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Stefan George (1868-1933)

Sprich nicht immer...

Sprich nicht immer
Von dem laub ·
Windes raub ·
Vom zerschellen
Reifer quitten ·
Von den tritten
Der vernichter
Spät im jahr.
Von dem zittern
Der libellen
In gewittern
Und der lichter
Deren flimmer
Wandelbar.

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Wilhelm Busch (1832-1908)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/wilhelm_busch.php

Überliefert

Zu Olims Zeit, auf der Oase
Am Quell, wo schlanke Palmen stehen,
Saß einst das Väterchen im Grase
Und hatte allerlei Ideen.

Gern sprach davon der Hochverehrte
Zu seinen Söhnen, seinen Töchtern,
Und das Gelehrte, oft Gehörte
Ging von Geschlechte zu Geschlechtern.

Auch wir in mancher Abendstunde,
Wenn treue Liebe uns bewachte,
Vernahmen froh die gute Kunde
Von dem, was Väterchen erdachte.

Und sicher klingt das früh Gewusste
So lang in wohlgeneigte Ohren,
Bis auf der kalten Erdenkruste
Das letzte Menschenherz erfroren.

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Sophokles (ca. 497-405)

Ungeheuer ist viel...

Ungeheuer ist viel. Doch nichts
Ungeheuerer, als der Mensch.
Denn der, über die Nacht
Des Meers, wenn gegen den Winter wehet
Der Südwind, fähret er aus
In geflügelten sausenden Häusern.
Und der Himmlischen erhabene Erde,
Die unverderbliche, unermüdete,
Reibet er auf; mit dem strebenden Pfluge,
Von Jahr zu Jahr,
Treibt sein Verkehr er, mit dem Rossegeschlecht,
Und leichtträumender Vögel Welt
Bestrickt er, und jagt sie;
Und wilder Tiere Zug,
Und des Pontos salzbelebte Natur
Mit gesponnenen Netzen,
Der kundige Mann.
Und fängt mit Künsten das Wild,
Das auf Bergen übernachtet und schweift.
Und dem raumähnigen Rosse wirft er um
Den Nacken das Joch, und dem Berge
Bewandelnden unbezähmten Stier.

Und die Red und den luftigen
Gedanken und städtebeherrschenden Stolz
Hat erlernet er, und übelwohnender
Hügel feuchte Lüfte, und
Die unglücklichen zu fliehen, die Pfeile. Allbewandert,
Unbewandert. Zu nichts kommt er.
Der Toten künftigen Ort nur
Zu fliehen weiß er nicht,
Und die Flucht unbeholfener Seuchen
Zu überdenken.
Von Weisem etwas, und das Geschickte der Kunst
Mehr, als er hoffen kann, besitzend,
Kommt einmal er auf Schlimmes, das andre zu Gutem.
Die Gesetze kränkt er, der Erd und Naturgewaltger
Beschwornes Gewissen;
Hochstädtisch kommt, unstädtisch
Zu nichts er, wo das Schöne
Mit ihm ist und mit Frechheit.
Nicht sei am Herde mit mir,
Noch gleichgesinnet,
Wer solches tut.

(Aus einem Chorlied der Tragödie "Antigone". Übersetzt aus dem Altgriechischen von Friedrich Hölderlin.)

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Arthur Rimbaud (1854-1891)

Vokale

A schwarz E weiß I rot U grün O blau - vokale
Einst werd ich euren dunklen ursprung offenbaren:
A: schwarzer samtiger panzer dichter mückenscharen
Die über grausem stanke schwirren • schattentale.

E: helligkeit von dämpfen und gespannten leinen •
Speer stolzer gletscher • blanker fürsten • wehn von dolden.
I: purpurn ausgespienes blut gelach der Holden
Im zorn und in der trunkenheit der peinen.

U: räder • grünlicher gewässer göttlich kreisen
Ruh herdenübersäter weiden • ruh der weisen
Auf deren stirne schwarzkunst drückt das mal.

O: seltsames gezisch erhabener posaunen •
Einöden durch die erd- und himmelsgeister raunen.
Omega - ihrer augen veilchenblauer strahl.

(aus dem Französischen von Stefan George)

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Taliesin (5. Jahrhundert)

Weißt du, wo die Nacht bleibt...

Weißt du, wo die Nacht bleibt,
wenn sie dem Lauf des Tages folgt?
Kennst du das Zeichen?
Hast du der Bäume Blätter gezählt?
Weißt du, wer die Berge baute
vor dem Sturz der Elemente?
Weißt du, wer die belebte Erde stützt?

Die Seele klagt, weiß keine Antwort.
Wer hat es erschaut? Wer weiß das alles?

Ich achte die Bücher
wie auch das, was sie nicht wissen.

(aus dem Walisischen von ??)

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Novalis (1772-1801)

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die so singen, oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freie Leben
Und in die Welt wird zurückbegeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit wieder gatten,
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.

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