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Rainer Maria Rilke (1875-1926)
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Geburt Christi
Hättest du der Einfalt nicht, wie sollte
    dir geschehn, was jetzt die Nacht erhellt?
    Sieh, der Gott, der über Völkern grollte,
    macht sich mild und kommt in dir zur Welt.
Hast du dir ihn größer vorgestellt?
    Was ist Größe? Quer durch alle Maße,
    die er durchstreicht, geht sein grades Los.
    Selbst ein Stern hat keine solche Straße.
    Siehst du, diese Könige sind groß,
und sie schleppen dir vor deinen Schoß
    Schätze, die sie für die größten halten,
    und du staunst vielleicht bei dieser Gift -:
    aber schau in deines Tuches Falten,
    wie er jetzt schon alles übertrifft.
Aller Amber, den man weit verschifft,
    jeder Goldschmuck und das Luftgewürze,
    das sich trübend in die Sinne streut:
    alles dieses war von rascher Kürze,
    und am Ende hat man es bereut.
Aber (du wirst sehen): Er erfreut.
 
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Juan Ruiz (ca. 1283-1350)
Loblied an die Mutter Gottes
Nun bin ich dein,
Du aller Blumen Blume,
Und sing allein
Allstund zu deinem Ruhme,
Will eifrig sein
Mich dir zu weihn
Und deinem Duldertume.
Frau, auserlesen,
Zu dir steht all mein Hoffen,
Mein innerst Wesen
Ist allezeit dir offen.
Komm, mich zu lösen
Vom Fluche des Bösen,
Der mich so hart betroffen!
Du Stern der See,
Du Port der Wonnen,
Von der im Weh
Die Wunden Heil gewonnen,
Eh ich vergeh,
Blick aus der Höh,
Du Königin der Sonnen!
Nie kann versiegen
Die Fülle deiner Gnaden,
Du hilfst zum Siegen
Dem, der mit Schmach beladen.
An dich sich schmiegen,
Zu deinen Füßen liegen
Heilt allen Harm und Schaden.
Ich leide schwer
Und wohlverdiente Strafen.
Mir bangt so sehr,
Bald Todesschlaf zu schlafen.
Tritt du einher,
Und durch das Meer
O führe mich zum Hafen!
(aus dem Spanischen von Paul Heyse)
 
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Ferdinand von Saar (1833-1906)
Ostern
Ja, der Winter ging zur Neige,
holder Frühling kommt herbei,
lieblich schwanken Birkenzweige,
und es glänzt das rote Ei.
Schimmernd wehn die Kirchenfahnen
bei der Glocken Feierklang,
und auf oft betretnen Bahnen
nimmt der Umzug seinen Gang.
Nach dem dumpfen Grabchorale
tönt das Auferstehungslied,
und empor im Himmelsstrahle
schwebt er, der am Kreuz verschied.
So zum schönsten der Symbole
wird das frohe Osterfest,
dass der Mensch sich Glauben hole,
wenn ihn Mut und Kraft verlässt.
Jedes Herz, das Leid getroffen,
fühlt von Anfang sich durchweht,
dass sein Sehnen und sein Hoffen
immer wieder aufersteht!
 
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Friedrich Spee (1591-1635)
Von Christi Fronleichnam
Mein Zung erkling
            Und fröhlich sing
                    Von Christi Leichnam zart,
            Auch von dem Blut,
            Das uns zu gut
                    Am Kreuz vergossen ward,
            Das genommen
            Und herkommen
                    Von jungfräulicher Art.
            Ein Jungfrau schon
            Uns Gottes Sohn
                    Zu Bethlehem gebar,
            Der unbeschwert
            Die Welt gelehrt,
                    Lebt drei und dreißig Jahr.
            Bald gefangen,
            Zum Tod gangen,
                    Wie prophezeiet war.
            Vor seinem Tod
            Und letzten Not
                    In diesem Jammertal,
            Zu Tisch er saß,
            Das Lämmlein aß,
                    In einem großen Saal,
            Da er eben
            Sich selbst geben,
                    Zur Speis im Abendmahl.
            Das Worte sein
            Aus Brot und Wein
                    Macht Fleisch und Blut behänd,
            Er da handlet,
            Kräftig wandlet,
                    Brot ward in Fleisch verwend,
            Gleiche Krafte,
            Aus Wein schaffte
                    Das Blut im Sakrament.
            O Christ hab acht
            Und wohl betracht,
                    Was Christus hie getan,
            Durch Christi Wort,
            An allem Ort,
                    Dasselb der Priester kann,
            Wie befohlen,
            Zu erholen,
                    Die Schrift zeigt klärlich an.
            Lob, Preis und Ehr,
            Je mehr und mehr,
                    Sei Christo weit und breit.
            Ihn preis und preis
            Um diese Speis,
                    O liebe Christenheit.
            Diese Gaben,
            Die wir haben,
                    Wohl brauch zur Seligkeit.
                            Amen.
 
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Gerhard Tersteegen (1697-1769)
Glücklicher als die Engel
Dein Heiland hat aus reiner Lieb'
            Für dich sich in den Tod gegeben;
            Du auch ihm willig wieder gib
            Dein ganzes Herz, dein liebstes Leben!
            Umfass aus Liebe Kreuz und Pein,
            Kein Engel kann so glücklich sein!
 
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Georg Trakl (1887-1914)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/georg_trakl.php
Ein Winterabend
Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
            Lang die Abendglocke läutet,
            Vielen ist der Tisch bereitet
            Und das Haus ist wohlbestellt.
            Mancher auf der Wanderschaft
            Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
            Golden blüht der Baum der Gnaden
            Aus der Erde kühlem Saft.
            Wanderer tritt still herein;
            Schmerz versteinerte die Schwelle.
            Da erglänzt in reiner Helle
            Auf dem Tische Brot und Wein.
 
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