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Paul Heyse (1839-1914)
Abschied
Hab' ich ihn nun ausgeträumt,
            Meinen Wintertraum im Süden,
            Wo die Flut am Strand verschäumt,
            Als ein Schlummerlied dem Müden?
            Nordwärts zieht das rasche Schiff
            An der schönen Bucht vorüber;
            Einen Abschiedsgruß hinüber
            Schickt des Dampfers hoher Pfiff.
            Lange noch zurück vom Bord
            Wandern Augen und Gedanken
            Zu dem hellen Häuschen dort,
            Das die Rosen hoch umranken,
            Wo im linden Sonnenschein
            Unter Palmen und Zypressen
            Holdbetrogen ich vergessen,
            Dass es Winter sollte sein.
            Doch getrost! Nun wirst du bald
            Holden Heimatklängen lauschen.
            Wieder wird der deutsche Wald
            Kühl die Stirne dir umrauschen,
            Wenn an des Benacus Strand
            Alle Kreatur verschmachtet
            Und die Luft, auch wenn es nachtet,
            Nie sich kühlt vom Tagesbrand.
            Danke, dass erreicht du hast,
            Was dem Menschen blüht so selten,
            Dass er als vertrauter Gast
            Bürger sei in zweien Welten
            Und zu träumen sich erkühnt,
            Trotz des Alters frost'gem Schauer,
            Dass in märchenhafter Dauer
            Ew'ger Frühling ihn umgrünt.
 
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Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)
Am Kamin
Stürme, Dezember, vor meinem Gemach,
        Hänge Zapfen von Eis an das Dach;
        Nichts doch weiß ich vom Froste;
        Hier am wärmenden, trauten Kamin
        Ist mir, als ob des Frühlings Grün
        Rings um mich rankte und sprosste.
        All das Gezweig, wie es flackert und flammt,
        Plaudert vom Walde, dem es entstammt,
        Redet von seligen Tagen,
        Als es, durchfächelt von Sommerluft,
        Knospen und Blüten voll Glanz und Duft,
        Grünende Blätter getragen.
        Fernher hallenden Waldhornklang
        Glaub' ich zu hören, Drosselgesang,
        Sprudelnder Quellen Schäumen,
        Tropfenden Regen durchs Laubgeäst,
        Der die brütenden Vögel im Nest
        Weckt aus den Mittagsträumen.
        Stürme denn, Winter, eisig und kalt!
        An den Kamin herzaubert den Wald
        Mir der Flammen Geknister,
        Bis ich bei Frühlingssonnenschein
        Wieder im goldgrün schimmernden Hain
        Lausche dem Elfengeflüster.
 
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Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803)
An den Winter
Winter mit dem grauen Barte,
            Mit den angefrornen Locken,
            Willst du denn nicht einmal lachen?
            Sind die Lippen zugefroren?
            Komm herein, was stehst du draußen?
            Komm herein, du sollst schon tauen.
            Sieh! wie störrisch sind die Minen.
            Bist du denn ein Feind der Freude?
            Willst du meine Lust verdammen?
            Gut! so will ich dich nicht bitten.
            Aber sei nur immer störrisch,
            Mache Felder, mache Fluren,
            Mache Berg' und Täler traurig,
            Mich sollst du nicht traurig machen.
            Töte diese frische Lilgen,
            Töte diese junge Rosen
            Auf den jugendlichen Wangen,
            Töte sie einmal zum Scherze;
            Aber lass mir nur die Rosen
            Auf den Wangen, auf den Busen
            Meiner braunen Doris blühend:
            Dann so soll sie dich beschämen,
            Dann soll sie mit einem Kusse
            Meinen halberstorbnen Wangen
            Alle Rosen wieder geben;
            Dann soll sie mit ihren Lippen
            Meine Lippen schöner färben.
            Alter! willst du's selbst versuchen?
            Komm! sie soll dich einmal küssen;
            Dann sollst du, wir wollen wetten,
            Bald dein Pelzwerk von dir werfen.
            Dann sollst du vor Hitze dursten.
            Komm! hier ist schon was zu trinken.
 
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Johann Gottfried Herder (1744-1803)
An die Bäume im Winter
Gute Bäume, die Ihr die starren, entblätterten Arme
    Reckt zum Himmel und fleht wieder den Frühling herab!
Ach, Ihr müsst noch harren, Ihr armen Söhne der Erde,
    Manche stürmige Nacht, manchen erstarrenden Tag!
Aber dann kommt wieder die Sonne mit grünendem Frühling
    Euch; nur kehret auch mir Frühling und Sonne zurück?
Harre geduldig, Herz, und birg in die Wurzel den Saft Dir!
    Unvermutet vielleicht treibt ihn das Schicksal empor.
 
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Johann Rist (1607-1667)
Auf die Winterszeit
Der Winter hat sich angefangen,
        Der Schnee bedeckt das ganze Land,
        Der Sommer ist hinweggegangen,
        Der Wald hat sich in Reif verwandt.
            Die Wiesen sind von Frost versehret,
        Die Felder glänzen wie Metall;
        Die Blumen sind in Eis verkehret,
        Die Flüsse stehn wie harter Stahl.
            Wolan, wir wollen von uns jagen
        Durchs Feur das kalte Winterkleid;
        Komt, laßt uns Holz zum Herde tragen
        Und Kohlen dran, jetzt ist es Zeit.
            Lasst uns den Fürnewein hergeben
        Dort unten aus dem großen Fass!
        Das ist das rechte Winterleben:
        Ein' heiße Stub' und kühles Glas.
            Wolan, wir wollen musizieren
        Bei warmer Luft und kühlen Wein;
        Ein ander mag sein' Klagen führen,
        Den Mammon nie lässt fröhlich sein.
            Wir wollen spielen, scherzen, essen,
        Solang' uns noch kein Geld gebricht,
        Doch auch der Schönsten nicht vergessen,
        Denn wer nicht liebt, der lebet nicht.
Wir haben dennoch gnug zu sorgen,
        Wann nun das Alter kommt heran;
        Es weiß doch keiner, was ihm morgen
        Noch vor ein Glück begegnen kann.
            Drum will ich ohne Sorgen leben,
        Mit meinen Brüdern fröhlich sein.
        Nach Ehr' und Tugend tu' ich streben,
        Den Rest befehl' ich Gott allein.
 
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Bruno Wille (1860-1928)
Dämmerstündchen
Dämmerstündchen im frostigen Winter,
        Dämmerstündchen im traulichen Stübchen ...
        Wenn da draußen über den harten
        Knarrenden Schnee ein kragenvermummter
        Mann mit dampfendem Atem eilt,
        Ohren und Nase rotgezwickt ...
        Wolkig umhüllt, mit Schnauben und Stampfen
        Ziehn zwei Pferde den wuchtigen Wagen ...
        Und der Schusterjunge im Schurzfell
        Trabt und haucht in die klamme Hand ...
        Rötlich strahlt die Straßenlaterne;
        Über dem schneebelasteten Hausdach
        Blinzelt der Abendstern.
        Dämmerstündchen im frostigen Winter,
        Dämmerstündchen im traulichen Stübchen ...
        Wärme strahlt der gewaltige Ofen,
        Muntre Flammen durchäugeln den Spalt;
        Und ich dehne behaglich die Glieder,
        Lausche dem lieblich summenden Singsang
        Des melodisch sinnigen Kessels;
        Hitzig brät indessen der Apfel,
        Den lieb Mütterchen mir verehrte.
        Fernher klingelt ein Schlitten - fernhin;
        Und die ruhige Seele träumt.
 
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Georg Heym (1887-1912)
Der Winter
Der blaue Schnee liegt auf dem ebenen Land,
Das Winter dehnt. Und die Wegweiser zeigen
Einander mit der ausgestreckten Hand
Der Horizonte violettes Schweigen.
Hier treffen sich auf ihrem Weg ins Leere
Vier Straßen an. Die niedren Bäume stehen
Wie Bettler kahl. Das Rot der Vogelbeere
Glänzt wie ihr Auge trübe. Die Chausseen
Verweilen kurz und sprechen aus den Ästen.
Dann ziehn sie weiter in die Einsamkeit
Gen Nord und Süden und nach Ost und Westen,
Wo bleicht der niedere Tag der Winterzeit.
Ein hoher Korb mit rissigem Geflecht
Blieb von der Ernte noch im Ackerfeld.
Weißbärtig, ein Soldat, der nach Gefecht
Und heißem Tag der Toten Wache hält.
Der Schnee wird bleicher, und der Tag vergeht.
Der Sonne Atem dampft am Firmament,
Davon das Eis, das in den Lachen steht
Hinab die Straße rot wie Feuer brennt.
 
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Georg Heym (1887-1912)
Der Winter
Der Sturm heult immer laut in den Kaminen
    Und jede Nacht ist blutig-rot und dunkel.
    Die Häuser recken sich mit leeren Mienen.
    Nun wohnen wir in rings umbauter Enge,
    Im kargen Licht und Dunkel unserer Gruben,
    Wie Seiler zerrend grauer Stunden Länge.
    Die Tage zwängen sich in niedre Stuben,
    Wo heisres Feuer krächzt in großen Öfen.
    Wir stehen an den ausgefrornen Scheiben
    Und starren schräge nach den leeren Höfen.
 
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Friedrich Hölderlin (1770-1843)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/hoelderlin.php
Der Winter
Das Feld ist kahl, auf ferner Höhe glänzet
    Der blaue Himmel nur, und wie die Pfade gehen,
    Erscheinet die Natur, als Einerlei, das Wehen
    Ist frisch, und die Natur von Helle nur umkränzet.
    Der Erde Stund ist sichtbar von dem Himmel
    Den ganzen Tag, in heller Nacht umgeben,
    Wenn hoch erscheint von Sternen das Gewimmel,
    Und geistiger das weit gedehnte Leben.
 
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Alfred Lichtenstein (1889-1914)
Der Winter
Von einer Brücke schreit vergrämt ein Hund
    Zum Himmel ... der wie alter grauer Stein
    Auf fernen Häusern steht. Und wie ein Tau
    Aus Teer liegt auf dem Schnee ein toter Fluss.
    Drei Bäume, schwarzgefrorne Flammen, drohn
    Am Ende aller Erde. Stechen scharf
    Mit spitzen Messern in die harte Luft,
    In der ein Vogelfetzen einsam hängt.
    Ein paar Laternen waten zu der Stadt,
    Erloschne Leichenkerzen. Und ein Fleck
    Aus Menschen schrumpft zusammen und ist bald
    Ertrunken in dem schmählich weißen Sumpf.
 
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Franz Grillparzer (1791-1872)
Des Winters Hauch...
Des Winters Hauch
        entblättert den Strauch,
        und wütende Sturmwinde heulen;
        an des Hügels Hang,
        wo die Lerche sonst sang,
        erkrächzen nun Raben und Eulen.
        Die Rose liegt
        vom Frost geknickt,
        und jubelnd hüllet der Winter
        in raschem Flug
        sein Leichentuch
        um Floras blühende Kinder.
        Die Schwalbe ruft
        aus rauer Luft
        ihr Lebewohl hernieder,
        blickt noch einmal herab
        auf das weite Grab
        und flieht dann auf schnellem Gefieder,
        und alles ist stumm
        und tot ringsum,
        kein Laut ertönt aus den Höhen,
        nur am sumpfigen Teich,
        im matten Gesträuch,
        tanzt ein Chor von krächzenden Krähen.
 
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Franz Grillparzer (1791-1872)
Dezemberlied
Harter Winter, streng und rauch,
            Winter, sei willkommen!
            Nimmst du viel, so gibst du auch,
            Das heißt nichts genommen!
            Zwar am Äußern übst du Raub,
            Zier scheint dir geringe,
            Eis dein Schmuck, und fallend Laub
            Deine Schmetterlinge,
            Rabe deine Nachtigall,
            Schnee dein Blütenstäuben,
            Deine Blumen, traurig all
            Auf gefrornen Scheiben.
            Doch der Raub der Formenwelt
            Kleidet das Gemüte,
            Wenn die äußere zerfällt,
            Treibt das Innere Blüte.
            Die Gedanken, die der Mai
            Locket in die Weite,
            Flattern heimwärts kältescheu
            Zu der Feuerseite.
            Sammlung, jene Götterbraut,
            Mutter alles Großen,
            Steigt herab auf deinen Laut,
            Segenübergossen.
            Und der Busen fühlt ihr Wehn,
            Hebt sich ihr entgegen,
            Lässt in Keim und Knospen sehn,
            Was sonst wüst gelegen.
            Wer denn heißt dich Würger nur?
            Du flichst Lebenskränze,
            Und die Winter der Natur
            Sind der Geister Lenze!
 
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Hermann Löns (1866-1914)
Die Nacht im Winter
Auf breiter Berge steiler Treppe
        Rauscht sturmdurchflüstert stolz dahin
        Die schwarze Riesenseidenschleppe
        Der Nacht, der kalten Königin.
        Von tausend Flittern ist durchflimmert
        Ihr Kleid, sonst allen Schmuckes bar,
        Ein schmaler, heller Halbmond schimmert
        Im reichen, bläulichschwarzen Haar.
        Zwei kühle Silbergletscher leuchten
        Aus ihrem schwarzen Kleid hervor,
        In ihrer kalten, eisig feuchten
        Umgebung manches Herz erfror.
        Vornehm und stolz - kein Zug von Wonne
        Spielt in dem Antlitz kalt und tot -
        Wer kennt die rote, heiße Sonne,
        Die hinter jenen Gletschern loht?
 
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Heinrich Heine (1797-1856)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/heinrich_heine.php
Ein Fichtenbaum steht einsam...
Ein Fichtenbaum steht einsam
Im Norden auf kahler Höh'.
Ihn schläfert; mit weißer Decke
Umhüllen ihn Eis und Schnee.
Er träumt von einer Palme,
Die, fern im Morgenland,
Einsam und schweigend trauert
Auf brennender Felsenwand.
 
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Matthias Claudius (1740-1815)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/matthias_claudius.php
Ein Lied hinterm Ofen zu singen
Der Winter ist ein rechter Mann,
Kernfest und auf die Dauer;
Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an,
Und scheut nicht süß noch sauer.
War je ein Mann gesund wie er?
Er krankt und kränkelt nimmer,
Er trotzt der Kälte wie ein Bär
und schläft im kalten Zimmer.
Er zieht sein Hemd im Freien an
und lässt´s vorher nicht wärmen
und spottet über Fluss im Zahn
und Grimmen in Gedärmen.
Aus Blumen und aus Vogelsang
weiß er sich nichts zu machen,
Hasst warmen Drang und warmen Klang
und alle warmen Sachen.
Doch wenn die Füchse bellen sehr,
wenn´s Holz im Ofen knittert,
und um den Ofen Knecht und Herr
die Hände reibt und zittert;
Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
und Teich und Zehen krachen:
Das klingt ihm gut, das hasst er nicht,
dann will er tot sich lachen.-
Sein Schloss von Eis liegt ganz hinaus
Beim Nordpol an dem Strande;
Doch hat er auch ein Sommerhaus
im lieben Schweizerlande.
Da ist er denn bald dort, bald hier;
gut Regiment zu führen;
und wenn er durchzieht, stehen wir
und sehn ihn an und frieren.
 
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