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Bernhard Efinger (geb. 1941)
Kein Schnee
Wo ist er denn dieses Jahr geblieben,
der Schnee, den wir Kinder so lieben.
Wohin man blickt, wohin man schaut,
den haben wohl dreiste Diebe geklaut.
Ach, es ist nun mal zum Haare raufen,
denn ich wollt' den Schnee mir kaufen,
doch niemand machte mir ein Angebot,
alle, die dies könnten, stellten sich tot.
Was will ich machen als kleiner Wicht,
weit und breit ist kein Schnee in Sicht.
Weißer Schnee, ganz frisch von oben,
oh, wie würde ich den Himmel loben.
Ich bin stinke sauer, es ist zum Weinen,
auch einen Schneemann gibt es keinen.
Von wegen Rodeln oder Schlittenfahren,
wie soll ich da noch die Ruhe bewahren.
Keinen Schnee bekomme ich geschenkt,
weil Frau Holle nicht mehr an mich denkt.
Ich werde dem Wetteramt nun schreiben,
so ein Winter kann mir gestohlen bleiben.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Fred Endrikat (1890-1942)
Monolog eines asthmatischen Regenwurms
Oh, warum hat man mich als Regenwurm geboren,
mit keinen Federn, keinen Borsten, keinen Hooren?
Ich steck im Dreck, ob's regnet oder stürmt.
Ach, wie mich armen Wurm das furchtbar würmt.
Die andern Tiere können laufen, schwimmen oder fliegen.
Ich muss mit nacktem Bauche auf dem Boden liegen
und schiel nach oben, seufz betrübten Blicks:
Ich kann bloß husten, weiter kann ich nix.
Von kleinen Kindern und den größten Idioten
werd ich getrampelt und in den Kot getroten
Mir hilft kein Teufel und kein Gott in meinem Weh.
Mich schützt kein Paragraph, nicht mal die Heilsarmee.
Ich muss mich hüten vor den Hühnern und den Spatzen,
denn wenn die kratzen, dann muss ich mein Leben latzen.
Ich bin ganz wehrlos, wenn man mich erwischt,
ich kann bloß husten, weiter kann ich nischt.
So muss ich mich durch dieses Dasein schieben.
Oh, warum hat man mich nicht lieber abgetrieben?
Was soll ich hier, ich arme Míssgeburt?
Mein Elend schlägt bestimmt den Weltrekurd.
Ich möchte auch mal gern im Flugzeug sitzen
und niederschaun auf meine Jammerpfützen.
Das kann nicht sein, mein Leben ist verpfuscht.
Ich kann bloß husten, weiter kann ich nuscht.
Wenn einst vorbei ist dieser Erdenrummel,
dann komme ich vielleicht auch einmal in den Hummel.
Dort werde ich erst meines Lebens froh.
Ich sing den ganzen Tag »Hallelujo«.
Wenn dann der Petrus kommt und leuchtet mit der Kerze,
durchsucht nach Sünden mir mein kleines Herze,
sag ich zu ihm verklärten Angesichts:
»Ich tat bloß husten, weiter tat ich nichts.«
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Gerhard P. Steil (geb. 1952)
Sankt Martin
Sankt Martin war ein guter Mann
(auch wenn man drüber streiten kann).
Sankt Martin, dieser edle Held,
stand einstmals im Nomadenzelt.
Da kroch in seinen noblen Mantel
eine kleine Bergtarantel.
Martin, der das Tier nicht mochte
und lauthals auf Entfernen pochte,
befand, das Biest sei schwer zu kriegen
und ließ ein Stück vom Mantel liegen.
Justament, zu dieser Stunde,
begann ein Bettler seine Runde.
Und jener sollte nun erhalten,
was Martin kurz zuvor gespalten.
Was dummerweise so nicht klappte,
weil’s Tierchen nach dem Bettler schnappte.
Martin aber schwand ganz eilig
und galt fortan als gut und heilig.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Christian Morgenstern (1871-1914)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/morgenstern.php
Das Gebet
Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Halb neun!
Halb zehn!
Halb elf!
Halb zwölf!
Zwölf!
Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Sie falten die kleinen Zehlein,
die Rehlein.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Richard Dehmel (1863-1920)
Wiegenlied für meinen Jungen
Schlaf, mein Küken – Racker, schlafe!
Kuck: im Spiegel stehn zwei Schafe,
bläkt ein großes, mäkt ein kleines,
und das kleine, das ist meines!
Bengel, Bengel, brülle nicht,
du verdammter Strampelwicht.
Still, mein süßes Engelsfüllen:
morgen schneit es Zuckerpillen,
übermorgen blanke Dreier,
nächste Woche goldne Eier,
und der liebe Gott, der lacht,
dass der ganze Himmel kracht.
Und du kommst und nimmst die Spenden,
säst sie aus mit Sonntagshänden,
und die Erde blüht von Farben,
und die Menschen tun’s in Garben
Herr, den Bengel kümmert nischt,
was man auch für Lügen drischt!
Warte nur, du Satansrachen:
heute Nacht, du kleiner Drachen,
durch den roten Höllenbogen
kommt ein Schmetterling geflogen,
huscht dir auf die Nase, hu,
deckt dir beide Augen zu;
deckt die Flügel sacht zusammen,
dass du träumst von stillen Flammen,
von zwei Flammen, die sich fanden,
Hölle Himmel still verbanden – –
so, nu schläft er; es gelang;
Himmel Hölle, Gott sei Dank!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php
Heimatlose
Ich bin fast
Gestorben vor Schreck:
In dem Haus, wo ich zu Gast
War, im Versteck,
Bewegte sich,
Regte sich
Plötzlich hinter einem Brett
In einem Kasten neben dem Klosett,
Ohne Beinchen,
Stumm, fremd und nett
Ein Meerschweinchen.
Sah mich bange an,
Sah mich lange an,
Sann wohl hin und sann her,
Wagte sich
Dann heran
Und fragte mich:
"Wo ist das Meer?"
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php
Das Ei
Es fiel einmal ein Kuckucksei
Vom Baum herab und ging entzwei.
Im Ei da war ein Krokodil;
Am ersten Tag war’s im April.
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Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php
August (Inserat)
Die verehrlichen Jungen, welche heuer
Meine Äpfel und Birnen zu stehlen gedenken,
Ersuche ich höflichst, bei diesem Vergnügen
Wo möglich insoweit sich zu beschränken,
Dass sie daneben auf den Beeten
Mir die Wurzeln und Erbsen nicht zertreten.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Paula Dehmel (1862-1918)
Kinderküche
Marie-Marei will Braten machen,
hat keine Pfanne;
nimmt sie sich die Schiefertafel
von klein Schwester Hanne.
Hat sie eine Pfanne.
Marie-Marei will Braten machen,
hat keine Butter;
borgt sie beim Kanarienvogel
rasch ein bisschen Futter.
Hat sie Butter.
Marie-Marei will Braten machen,
hat keine Kohlen;
vor der Tür steht roter Mohn,
geht sie den sich holen.
Hat sie Kohlen.
Marie-Marei will Braten machen,
fehlt noch das Gänschen;
nimmt sie sich die Pudelmütze
von klein Bruder Fränzchen.
Hat sie 's Gänschen.
Hei, mit diesen Wunderdingen
muss der Braten wohl gelingen;
bitte zu Tisch!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php
Aus meiner Kinderzeit
Vaterglückchen, Mutterschößchen,
Kinderstübchen, trautes Heim,
Knusperhexlein, Tantchen Röschen,
Kuchen schmeckt wie Fliegenleim.
Wenn ich in die Stube speie,
Lacht mein Bruder wie ein Schwein.
Wenn er lacht, haut meine Schwester.
Wenn sie haut, weint Mütterlein.
Wenn die weint, muss Vater fluchen.
Wenn er flucht, trinkt Tante Wein.
Trinkt sie Wein, schenkt sie mir Kuchen:
Wenn ich Kuchen kriege, muss ich spein.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
August Kopisch (1799-1853)
Die Zwerge in Pinneberg
»In Pinneberg eine Hochzeit ist, auf auf, ihr lustigen
Geister!
Flink hin, wo's was zu essen gibt, wir sind Schnablierens
Meister!«
»Ja!« rief das sämtliche Gezwerg,
»Nach Pinneberg - nach Pinneberg!«
Mit feinen Stimmchen: »Pinneberg!«
Mit gröberen - »Nach Pinneberg!
Ja Pinneberg!
Nach Pinneberg!«
Die Gäste sitzen schon am Tisch und denken nun zu
schmausen;
Doch zwischen hockt das Geistervolk, und flink beginnt das
Mausen.
Kehrt sich ein Gast zur Nachbarin,
Schlipp schlapp, ist seine Suppe hin!
Es fasst es kein Verstand und Sinn,
Er sieht sich um, wo ist sie hin?
Wo ist sie hin,
Wo ist sie hin?
Es sind die Zwerge nicht zu sehn, sie haben Nebelkappen,
Sie drehen, wenden, ducken sich, man kann sie schwer
ertappen.
Sie höhlen aus den ganzen Fisch,
Sie ziehen aus der Gans den Wisch,
Sie langen das Konfekt vom Tisch,
Sie trinken aus den Gläsern frisch
Wein und Gemisch
Verschwenderisch!
Der Tanz beginnt, man steht nun auf, die Gäste sind noch
nüchtern,
Es knurrt der Magen, und man war im Nehmen doch nicht
schüchtern!
Doch, kam auch noch soviel herein,
Gleich war das Zwergvolk hinterdrein,
Weg war sogleich Bier, Met und Wein,
Im Nu auch jeder Teller rein
Von Leckerein Und Näscherein!
Die Gäste sind zum Tanz so leicht, als war' es vor dem
Speisen.
Hei! wie gelang den Paaren es, im Saal herumzukreisen!
Doch bald erhebt ein Stäuben sich
So mächtiglich und fürchterlich,
Als tanzte hier unsichtbarlich
Der Püsterich mit Alberich
Und Alberich
Mit Kalberich.
Und sieh! so war's; die Zwerge sind vom vielen Wein
betrunken:
Da wird im Saal herumgeschleift, gehumpelt und gehunken!
Den einen juckt so weit die Haut,
Er küsst beherzt die schöne Braut,
Und was der eine sich getraut,
Getraut sich alles böse Kraut:
Es graut der Braut,
Die fühlt, nicht schaut.
Den Bräutigam verdrießt das Ding: er schlägt um sich im
Zorne
Und trifft, da fliegt ein Käppchen ab dem einen Zwerg von
vorne.
Das fängt der Bräutigam sodann
Und sieht nunmehr den kleinen Mann,
Der aber blickt ihn bittend an
Und weint, so sehr man weinen kann:
»Sei kein Tyrann!
Lass los den Bann!«
»Halt fest!« rief da ein Gast ihm zu, »dann kommen andre
Zwerge,
Die bringen dir zum Lösegeld viel Schönes aus dem Berge.
So! kneif ihn recht! dann schreit er sehr,
Da kommen Zwerge mehr und mehr:
Sieh! keiner hat die Hände leer,
Und alle tragen Schätze schwer;
Sie keuchen sehr: Kneif ihn noch mehr!«
Wie mühsam kommt nun einer an mit einer goldnen Kette
Und fleht der schönen Braut, dass sie den Kameraden rette.
Die Braut, zufrieden mit dem Kauf,
Setzt nun dem Schelm sein Käppchen auf,
Gibt einen Kuss ihm obenauf
Und sagt: »Nun, armer Schelm, nun lauf.
Lauf Zwergehauf,
Den Berg hinauf!«
Da lief, so schnell es konnte, fort das ganze Volk der
Zwerge
Und zankte sich noch lange Zeit, man hört es tief im Berge.
Sie sagten: »Nie nach Pinneberg -
Spricht einer noch von Pinneberg,
Den schicken wir nach Pinneberg,
Und lassen ihn in Pinneberg!
In Pinneberg,
In Pinneberg.«
Der Braut zu Füßen aber liegt der Saal gehäuft voll Schätze,
Und jeder Gast empfängt ein Stück, dass er sich dran
ergötze.
Aufs neu' beginnt das ganze Fest;
Und da nun fort das Wespennest,
Ein jeder sich's auch schmecken lässt,
Was man ihm bringt aus Ost und West,
Und hält es fest
Bis auf den Rest.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Wilhelm Hey (1789-1854)
Kind und Ochse
Kind:
Ei, Ochse, worüber denkst du nach,
Dass du da liegst fast den ganzen Tag,
Und machst so gar ein gelehrt Gesicht?
Ochse:
Hab Dank für die Ehre! So schlimm ist's nicht.
Die Gelehrsamkeit, die muss ich dir schenken;
Ich halte vom Kauen mehr als vom Denken.
Und als er noch gekaut eine Weile
(Er hatte nicht eben die größte Eile),
Da spannten sie vor den Wagen ihn;
Ein schweres Fuder sollt' er ziehn.
Das tat er auch ganz wohlgemut;
Das Denken konnt' er nicht so gut.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Johann Karl August Musäus (1735-1787)
Ungezogenheit
Liebe Leute, kennt ihr Fränzchen,
Unsers Herrn Pastoren Sohn?
Das ist euch ein feines Pflänzchen,
Hat voll Schelmerei sein Ränzchen,
Neckt und foppt die Mädchen schon.
Keine Schalkheit, keine Finte
Gibt es, die der Schelm nicht weiß.
Goss er neulich nicht mit Fleiß
Öl dem Papa in die Tinte?
Auch hat er den schwarzen Kater
Seinem neuen Informator
Heimlich in das Bett versteckt.
Und ihn bis auf den Tod erschreckt.
Denkt nur, der blödsichtgen Muhme
Bringt er eine schöne Blume,
Und steckt eine Nadel drein.
Sie empfängt sie mit Vergnügen,
Will mit Inbrunst daran riechen,
Fängt an überlaut zu schrein;
Denn die unbesorgte Base
Stach sich weidlich in die Nase.
Über diese Schelmerein
Lacht Mama, drum wirds auch immer
Mit dem schönen Früchtchen schlimmer.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Amelie Dronten (geb. 1967), www.bert-der-baer.blogspot.com
Hexenkessel-Wettgebrodel
Fledermaus und Drachenzahn,
Krötenwisch und Spinnenwahn!
Heute Nacht wird wett-gebraut!
Kessel werden aufgebaut.
Krause Nägel krallen fest,
was sich rasch ergreifen lässt.
Käferbeinchen strampeln leer,
fühlen keinen Boden mehr.
Kräutlein, Schleime, Eberborsten,
Wein dazu, um nicht zu dorsten!
Alles in den Topf gestopft,
grobgemörsert, weichgeklopft.
Umgerührt und brei-gestampft,
Allerlei aus Deckeln dampft.
Blubberstank und Wildgekicher,
Hexenzank, ganz widerlicher!
Jede will die beste sein!
Kocht den Hexenmeister ein.
Dieser jedoch, ungerührt,
hat mit Vorsicht ausprobiert,
ob die Tränke denn auch wirken.
Nebel schleicht sich zwischen Birken
und der Vollmond lichtert blass.
Erster Preis: ein Tintenfass!
(um zu schreiben unsichtbar -
nicht in Blau, das ist wohl klar...)
Und ein Uhu huhuht fern.
Wer gewinnt, wüsstest du gern?
Nun, es wurd gar kompliziert
zur Gewinnerin gekürt
Hexe Rosalind Moosmauer
mit dem Trunk „Giftpilz süßsauer“,
welcher Mägen aller Art
vor verwegnem Regen wahrt.
Was den Meister lang schon quält,
weshalb er – klaro! – diesen wählt.
Und die Nacht neigt sich dem Ende,
Rosalind reibt sich die Hände.
Manche freun sich, andre grummeln.
Langsam sie sich heimwärts tummeln.
Bald schon ist der Spuk vorbei.
Und der Uhu legt kein Ei.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Heinrich Heine (1797-1856)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/heinrich_heine.php
Der tugendhafte Hund
Ein Pudel, der mit gutem Fug
Den schönen Namen Brutus trug,
War vielberühmt im ganzen Land
Ob seiner Tugend und seinem Verstand.
Er war ein Muster der Sittlichkeit,
Der Langmut und Bescheidenheit.
Man hörte ihn loben, man hörte ihn preisen
Als einen vierfüßigen Nathan den Weisen.
Er war ein wahres Hundejuwel!
So ehrlich und treu! eine schöne Seel'!
Auch schenkte sein Herr in allen Stücken
Ihm volles Vertrauen, er konnte ihn schicken
Sogar zum Fleischer. Der edle Hund
Trug dann einen Hängekorb im Mund,
Worin der Metzger das schöngehackte
Rindfleisch, Schaffleisch, auch Schweinefleisch packte. -
Wie lieblich und lockend das Fett gerochen,
Der Brutus berührte keinen Knochen,
Und ruhig und sicher, mit stoischer Würde,
Trug er nach Hause die kostbare Bürde.
Doch unter den Hunden wird gefunden
Auch eine Menge von Lumpenhunden
- Wie unter uns, - gemeine Köter,
Tagdiebe, Neidharde, Schwerenöter,
Die ohne Sinn für sittliche Freuden
Im Sinnenrausch ihr Leben vergeuden!
Verschworen hatten sich solche Racker
Gegen den Brutus, der treu und wacker,
Mit seinem Korb im Maule, nicht
Gewichen von dem Pfad der Pflicht. -
Und eines Tages, als er kam
Vom Fleischer und seinen Rückweg nahm
Nach Hause, da ward er plötzlich von allen
Verschwornen Bestien überfallen;
Da ward ihm der Korb mit dem Fleisch entrissen,
Da fielen zu Boden die leckersten Bissen,
Und fraßbegierig über die Beute
Warf sich die ganze hungrige Meute. -
Brutus sah anfangs dem Schauspiel zu,
Mit philosophischer Seelenruh';
Doch als er sah, dass solchermaßen
Sämtliche Hunde schmausten und fraßen,
Da nahm auch er an der Mahlzeit teil
Und speiste selbst eine Schöpsenkeul'.
Moral
Auch du, mein Brutus, auch du, du frisst?
So ruft wehmütig der Moralist.
Ja, böses Beispiel kann verführen;
Und, ach! gleich allen Säugetieren,
Nicht ganz und gar vollkommen ist
Der tugendhafte Hund - er frisst!
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