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Kurt Tucholsky (1890-1935)
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Adagio con brio
Dies aber macht mir vielen Kummer:
Wenn du dich gabst,
Wenn du, verehrte dolle Nummer,
Mich schweigend labst –
Dass dann trotz deiner Erzroutine,
Trotz Witz und Trick,
Trotz der monströs beherrschten Miene,
Trotz halbem Blick-:
Dass du – bei deines Busens Knöpfen! –
Mir doch entfliehst.
Ich kann dich niemals ganz erschöpfen,
Wenn du genießt.
Umsonst. Ich hab dich nicht gefunden.
Komm! Halt mich fest!
Ich liebe nach all den wilden Stunden
Den kleinen Rest.
Noch einmal denn! Vielleicht blüht morgen
Der alte Stamm.
Sonst aber hab ich keine Sorgen!
Grüß Gott, Madame!
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Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679)
Albanie, gebrauche deiner Zeit...
Albanie, gebrauche deiner Zeit,
Und lass den Liebes-Lüsten freien Zügel,
Wenn uns der Schnee der Jahre hat beschneit,
So schmeckt kein Kuss, der Liebe wahres Siegel,
Im grünen Mai grünt nur der bunte Klee.
Albanie.
Albanie, der schönen Augen Licht,
Der Leib, und was auf den beliebten Wangen,
Ist nicht vor dich, vor uns nur zugericht,
Die Äpfel, so auf deinen Brüsten prangen,
Sind unsre Lust, und süße Anmuts-See.
Albanie.
Albanie, was quälen wir uns viel,
Und züchtigen die Nieren und die Lenden?
Nur frisch gewagt das angenehme Spiel,
Jedwedes Glied ist ja gemacht zum Wenden,
Und wendet doch die Sonn sich in die Höh.
Albanie.
Albanie, soll denn dein warmer Schoß
So öd und wüst, und unbebauet liegen?
Im Paradies da ging man nackt und bloß,
Welch Menschen-Satz macht uns dies neue Weh?
Albanie.
Albanie, wer kann die Süßigkeit
Der zwei vermischten Geister recht entdecken?
Wenn Lieb und Lust ein Essen uns bereit,
Das wiederholt am Besten pflegt zu schmecken,
Wünscht nicht ein Herz, dass es dabei vergeh?
Albanie.
Albanie, weil noch der Wollust-Tau
Die Glieder netzt, und das Geblüte springet,
So lass doch zu, dass auf der Venus-Au
Ein brünstger Geist dir kniend Opfer bringet,
Dass er vor dir in voller Andacht steh.
Albanie.
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Celander (um 1700)
Als einer im Schlaf verschwenderisch gewesen
Mein Mädgen, lass hinfort mich nicht verschwendrisch sein,
Und nimm die Perlen-Milch in deine Muschel ein;
Groß Schade, dass sie wird so liederlich versprützet,
Da wo sie keinem Schoß, auch nicht den Tüchern nützet.
Dein Hartsein gegen mich verschwendet meinen Schatz,
Vergönne mir hinfort in deinem Schoße Platz,
Und lass den Liebes-Tau daselbsten sich sich ergießen,
Wo er mit größrer Lust wird als im Schlafe fließen,
Dein dürrer Acker wird alsdenn von Wollust feist,
Die Brüste härten sich, die Lust entzückt den Geist;
Die Anmut, die durchdringt des ganzen Leibs Glieder,
In Lachen steigt man ein, mit Kitzeln kommt man wieder,
Nichts denn Ergötzung bringt er deinem Marmor-Schoß,
Die Venus spannt dir denn den Jungfern-Gürtel los,
Und lässt dir alle Lust, die sie besitzet, schmecken,
Der Hymen wird nach Schmerz den süßten Scherz erwecken.
Ach stelle doch, mein Kind, die Sprödigkeit nur ein!
Lass deine Muschel mir nicht mehr verschlossen sein,
Eröffne ihren Helm, die Nahrung zu empfangen,
Wo in dem Liebes-Tau die Anmuts-Perlen prangen.
Sperrt nun dein Muschel-Schloss die Tore willig auf,
Und hemmt kein Widrigsein mir meinen Liebes-Lauf,
So soll der Liebes-Saft mit süßen Quellen fließen,
Und sich mit vollem Strom in deine Muschel gießen.
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Benjamin Neukirch (1665-1729)
An Sylvien
Ach! wirf doch einen Blick auf deine Silber-Ballen,
Verstockte Sylvia,
Sie sind dem Tode nah;
Die Spitzen lassen schon die Rosen-Blüte fallen,
Die Berge ziehn die stolzen Lilien ein,
Und werden bald so gleich wie deine Wangen sein.
Wie, sind wir, schreien sie, dann darum nur erschaffen,
Dass uns ein blinder Groll
In Kerker schließen soll?
Cupido nennet uns ja seine Liebes-Waffen.
Was kommet dich dann für ein Eifer an,
Dass du, o Sylvia! uns in den Bann getan?
Ihr Männer helfet uns durch eure Macht erretten!
Zerreißt das Mörder-Schloss
Und macht uns wieder los.
Wir lieben keinen Zwang, und leiden keine Ketten,
Und Frankreichs Mod' und tolle Kleider-Pracht,
Mag sein für wen sie will, nur nicht für uns gemacht.
So klagen, Sylvia, die hart-bedrängten Kinder.
Ach höre doch ihr schrei'n,
Und hilf sie bald befrei'n,
Wo nicht, so schneid sie ab, und wirf sie vor die Rinder.
Dann wenn sie nur im Finstern sollen ruhn,
So kann dirs, wann du willst, auch wohl ein Schnupftuch tun.
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Wilhelm Busch (1832-1908)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/wilhelm_busch.php
Das Bild des Manns...
Das Bild des Manns in nackter Jugendkraft,
So stolz in Ruhe und bewegt so edel,
Wohl ist's ein Anblick, der Bewundrung schafft
Drum Licht herbei! Und merke dir's, o Schädel!
Jedoch ein Weib, ein unverhülltes Weib -
Da wird dir's doch ganz anders, alter Junge.
Bewundrung zieht sich durch den ganzen Leib
Und greift mit Wonneschreck an Herz und Lunge
Und plötzlich jagt das losgelassne Blut
Durch alle Gassen, wie die Feuerreiter.
Der ganze Kerl ist eine helle Glut
Er sieht nichts mehr und tappt nur noch so weiter.
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Heinrich Heine (1797-1856)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/heinrich_heine.php
Das Hohelied
Des Weibes Leib ist ein Gedicht,
Das Gott der Herr geschrieben
Ins große Stammbuch der Natur,
Als ihn der Geist getrieben.
Ja, günstig war die Stunde ihm,
Der Gott war hochbegeistert;
Er hat den spröden, rebellischen Stoff
Ganz künstlerisch bemeistert.
Fürwahr, der Leib des Weibes ist
Das Hohelied der Lieder;
Gar wunderbare Strophen sind
Die schlanken, weißen Glieder.
O welche göttliche Idee
Ist dieser Hals, der blanke,
Worauf sich wiegt der kleine Kopf,
Der lockige Hauptgedanke!
Der Brüstchen Rosenknospen sind
Epigrammatisch gefeilet;
Unsäglich entzückend ist die Zäsur,
Die streng den Busen teilet.
Den plastischen Schöpfer offenbart
Der Hüften Parallele;
Der Zwischensatz mit dem Feigenblatt
Ist auch eine schöne Stelle.
Das ist kein abstraktes Begriffspoem!
Das Lied hat Fleisch und Rippen,
Hat Hand und Fuß; es lacht und küßt
Mit schöngereimten Lippen.
Hier atmet wahre Poesie!
Anmut in jeder Wendung!
Und auf der Stirne trägt das Lied
Den Stempel der Vollendung.
Lobsingen will ich dir, o Herr,
Und dich im Staub anbeten!
Wir sind nur Stümper gegen dich,
Den himmlischen Poeten.
Versenken will ich mich, o Herr,
In deines Liedes Prächten;
Ich widme seinem Studium
Den Tag mitsamt den Nächten.
Ja, Tag und Nacht studier ich dran,
Will keine Zeit verlieren;
Die Beine werden mir so dünn –
Das kommt vom vielen Studieren.
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Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679)
Der Himmel pflantzet mein Gelücke...
Der Himmel pflantzet mein Gelücke,
Er lacht mich freundlich an durch tausend holde Blicke,
Er macht aus Winter Frühlings-Zeit,
Er wirkt mir selber Zeug zu einem Feier-Kleide,
Ich bin von Boy und Flor befreit,
Und meine Wolle wird zur Seide.
Ich kann den Port itzt recht erreichen,
Und darf nicht um das Haupt der leeren Hoffnung streichen,
Mein Anker sinkt in süße Ruh,
Dein Auge hat mir selbst ein Leit-Stern werden müssen,
Ja, mein gelobtes Land bist du,
Lass mich das Vorgebürge küssen.
Schlag doch nicht mehr die Augen nieder,
Ist denn mein reiner Scherz, Rosette, dir zuwider?
Ich bin dir ja nicht unbekannt,
Du kennest mein Gesicht, und auch mein treues Herze,
Drum glaube, dass der Liebe Brand
Sich stärket zwischen Freud und Scherze.
Willst du dich der Natur entreißen?
Dies kann die Tugend selbst nicht eine Tugend heißen,
Das schöne Blumwerk deiner Brust
Ist nicht vor dich allein auf diese Welt geboren,
Es hat es auch zu meiner Lust
Des Himmels Ausspruch auserkoren.
Du musst in dir nicht selbst verwesen,
Lass mich um deinen Mund die Zucker-Rosen lesen
Durch einen unverwehrten Kuss,
Lass doch den süßen Tau auf meine Lippen rinnen,
Dass durch verliebten Überfluss
Die Geister selbst sich küssen können.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Klabund (1890-1928)
Die Liebe ein Traum
Ein letzter Kuss streift ihre Wimpern, und
Ermattet von der Lust schließt sie die schönen,
Die müden Augen, atmet tief – und schläft.
Schon hebt sich leicht die Brust,
Senkt leicht sich
Dem Traum entgegen
Wie Mond dem Meer,
Wie Welle sich an Welle schmiegt
Und fällt
Und steigt.
Ich rühr mich kaum, damit ich sie nicht wecke,
Doch wie ihr leiser Atem mich
Wie Mohnduft trifft,
Bin ich entzündet und vom stummen Glanz der Glieder
Entflammt.
Ich neige mich zu ihr und liebe sanft
Die Schlafende, die einmal nur im Traum
Wie eine Taube
Verschlafen gurrt
Und seufzt. –
Sie träumt
Vielleicht,
Dass ich sie liebe ...
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Rainer Maria Rilke (1875-1926)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/rilke.php
Die Liebenden
Sieh, wie sie zueinander erwachsen:
in ihren Adern wird alles Geist.
Ihre Gestalten beben wie Achsen,
um die es heiß und hinreißend kreist.
Dürstende, und sie bekommen zu trinken,
Wache und sieh: sie bekommen zu sehn.
Lass sie ineinander sinken,
um einander zu überstehn.
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Charles Baudelaire (1821-1867)
Die Riesin
Zur Zeit, als die Natur, von wilder Kraft durchdrungen,
Gewaltge Kinder trug, hätt ich nach meinem Sinn
Bei einer Riesin gern gelebt, bei einer jungen,
Wie eine Katze streicht um eine Königin.
Wie Leib und Seele ihr bei grimmem Spiel erblühten
Und wuchsen, hätt ich gern erschaut von Anbeginn,
Erspäht, wie in der Brust ihr finstre Flammen glühten
Und Nebel traumhaft zog durch ihre Augen hin.
Mit Muße hätte ich erforscht die prächtgen Glieder,
Gestiegen wäre ich die stolzen Kniee nieder,
Und oft im Sommer, wann der Sonnen kranker Strahl
Sie müde hingestreckt quer durch die weiten Wiesen,
Hätt ich geschlummert in der Brüste Schattental,
Gleich wie ein friedlich Dorf am Fuß von Bergesriesen.
(aus dem Französischen von Wolf von Kalckreuth)
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Friedrich Wilhelm Wagner (1892-1931)
Die Stunden rinnen...
Die Stunden rinnen - fader Regen,
Darin erloschen alle Gluten.
Wenn wir uns zueinander legen -
Wir fürchten nicht, daß wir verbluten.
War nicht dein Haar einst schwarze Flamme,
Dein Mund ein blutend rotes Tor -
Auf deiner Brüste rosenem Kamme
War ich verirrt, ach ich verlor
Mich ganz in deinen dunklen Buchten,
In deines Leibes wildem Land -
Nun liegen wir gleich den Verruchten
An einem kalten öden Strand.
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Celander (um 1700)
Die verhassten Stacheln
Was spitz und stachlicht ist, das hasst das Frauen-Zimmer
Es schreit, wenn ihre Hand ein scharfes Ding berührt,
Wenn es die Rosen bricht, schilt es die Stacheln immer,
Die deren Purpur-Zier zur Wache bei sich führt.
Das Honig liebt es zwar, doch aber nicht die Bienen,
Deren scharf Gewehr oft ihre Haut verletzt,
Es liebt das weiche Blatt der glänzenden Jesminen,
Die Dornen aber nicht, die in den Zaun gesetzt.
Die Nadel muss ihm zwar im Putze Dienste leisten,
Allein die Spitze ist, sobald sie sticht, veracht'.
Dies ging' noch alles hin, doch kränkt uns dies am meisten,
Dass unsers Mundes-Zier auch wird dazu gemacht.
Sie mögen herzlich gern von uns die Küsse nehmen,
Wenn unser Mannheit-Schmuck nicht um die Lippen steht,
Denn aber will der Mund sich nicht dazu bequemen,
Wenn ihnen nur der Bart in ihre Haut eingeht.
Sind aber, Kinder, euch die Stacheln auch verhasset,
Die eurer Jungfernschaft den lieben Tod antun?
Nein! denn er wird von euch an solchem Ort gefasset,
Dass ihr im Stechen könnt in süßer Wollust ruhn.
Der Stachel ists, der euch alleine will gefallen,
Da ander Stacheln euch zumahl verhasset sein,
Den Stachel liebet ihr an uns vor andern allen,
Weil er so zärtlich sticht euch eine Wunde ein.
Allein, ihr seid betört, dass ihr den Stachel liebet,
Der mit dem süßen Stich euch allzu schädlich ist,
Gesetzt, dass euch ein Dorn, ein Bart Verletzung giebet,
So stirbt die Ehr doch nicht, die bald das Grab-Mahl küsst.
Hasst doch die Stacheln nicht, die euch nicht schaden können,
Vertragt der Dornen Stich des Bartes auch darbei,
Der Schmerz, der davon kommt, pflegt leichte zu zerrinnen,
Und glaubt, der süsse Stich macht viel Beschwererei.
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Heinrich Heine (1797-1856)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/heinrich_heine.php
Diese schönen Gliedermassen...
Diese schönen Gliedermassen
Kolossaler Weiblichkeit
Sind jetzt, ohne Widerstreit,
Meinen Wünschen überlassen.
Wär ich, leidenschaftentzügelt,
Eigenkräftig ihr genaht,
Ich bereute solche Tat!
Ja, sie hätte mich geprügelt.
Welcher Busen, Hals und Kehle!
(Höher seh ich nicht genau.)
Eh' ich ihr mich anvertrau,
Gott empfehl ich meine Seele.
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Max Dauthendey (1867-1918)
Dort wucherte Mohn
Wir gingen in helle Kornfelder hinein.
Dort wucherte Mohn rotfleckig am Rain,
Fein klingen dort Ähren dem Ohr Melodein
Und wiegen die Köpfe leise und träge,
Und heiße Dinge liegen am Wege.
Nicht Körner allein im Kornfeld gedeihn,
Mohnrote Flecken, die lecken am Blut,
Die können im Feld ein Brennen anstecken;
Wir haben geküsst und nicht ausgeruht.
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Johann Peter Uz (1720-1796)
Ein Traum
O Traum, der mich entzücket!
Was hab ich nicht erblicket!
Ich warf die müden Glieder
In einem Tale nieder,
Wo einen Teich, der silbern floss,
Ein schattigtes Gebüsch umschloss.
Da sah ich durch die Sträuche
Mein Mädchen bei dem Teiche.
Das hatte sich, zum Baden,
Der Kleider meist entladen,
Bis auf ein untreu weiß Gewand,
Das keinem Lüftchen widerstand.
Der freie Busen lachte,
Den Jugend reizend machte.
Mein Blick blieb sehnend stehen
Bei diesen regen Höhen,
Wo Zephyr unter Lilien blies
Und sich die Wollust greifen ließ.
Sie fing nun an, o Freuden!
Sich vollends auszukleiden;
Doch, ach! indems geschiehet,
Erwach ich und sie fliehet.
O schlief ich doch von neuem ein!
Nun wird sie wohl im Wasser sein.
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