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Friedrich Theodor Vischer (1807-1887)
Prähistorische Ballade
Ein Ichthyosaur sich wälzte
Am schlammigen, mulstrigen Sumpf.
Ihm war in der Tiefe der Seele
So säuerlich, saurisch und dumpf,
So dämlich, so zäh und so tranig,
So schwer und so bleiern und stumpf;
Er stürzte sich in das Moorbad
Mit platschendem, tappigem Pflumpf.
Da sah er der Ichthyosaurin,
So zart und so rund und so schlank,
Ins schmachtende Eidechsenauge,
Da ward er vor Liebe so krank.
Da zog es ihn hin zu der Holden
Durchs klebrige Urweltgemüs,
Da ward aus dem Ichthyosauren
Der zärtlichste Ichthyosüß.
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Klabund (1890-1928)
Regen
Der Regen rinnt schon tausend Jahr,
Die Häuser sind voll Wasserspinnen,
Seekrebse nisten mir im Haar
Und Austern auf des Domes Zinnen.
Der Pfaff hier wurde eine Qualle,
Seepferdchen meine Nachbarin.
Der blonde Seestern streckt mir alle
Fünfhundert Fühler zärtlich hin.
Es ist so dunkel, kalt und feucht.
Das Wasser hat uns schon begraben.
Gib deinen warmen Mund – mich deucht,
Nichts bleibt uns als uns lieb zu haben.
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Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679)
Scherz-Lied
Als die Venus neulich saße
In dem Bade nackt und bloß,
Und Cupido auf dem Schoß
Von dem Liebes-Zucker aße,
Zeigte sie dem kleinen Knaben
Alles was die Frauen haben.
Marmel-Hügel sah er liegen,
Von Begierden aufgebaut;
Sprach zur Mutter überlaut:
Wann werd ich dergleichen kriegen,
Dass mich auch die Schäferinnen
Und die Damen lieb gewinnen?
Venus lacht aus vollem Munde
Über ihren kleinen Sohn:
Denn sie sah und merkte schon,
Dass er was davon verstunde,
Sprach: Du hast wohl andre Sachen,
Die verliebter können machen.
Unterdessen ließ sie spielen
Seine Hand auf ihrer Brust:
Denn sie merkte, dass er Lust
Hatte, weiter nachzufühlen,
Bis ihr endlich dieser Kleine
Kam an ihre zarte Beine.
Als er sich an sie geschmieget,
Sprach er: Liebes Mütterlein,
Wer hat an das dicke Bein
Euch die Wunde zugefüget?
Müsst ihr Weiber denn auf Erden
Alle so verwundet werden?
Venus konnte nichts mehr sagen,
Als: Du kleiner Bösewicht,
Packe dich, du sollst noch nicht
Nach dergleichen Sachen fragen.
Wunden, die von Liebes-Pfeilen
Kommen, die sind nicht zu heilen.
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Ludwig Thoma (1867-1921)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/thoma.php
Sexuelle Aufklärung
Der alte Storch wird nun begraben.
Ihr Kinder lernt im Unterricht,
Warum wir dies und jenes haben,
Und es verbreitet sich das Licht.
Zu meiner Zeit, du große Güte!
Da herrschte tiefe Geistesnacht.
Man ahnte manches im Gemüte
Und hat sich selber was gedacht.
Mich lehrte dieses kein Professer;
Nur eine gute, dicke Magd
Nahm meine Unschuld unters Messer
Und machte auf dieselbe Jagd.
Ihr Unterricht war nicht ästhetisch,
Im Gegenteil, sehr weit entfernt.
Und doch, wenn auch nicht theoretisch,
Ich hab' es ziemlich gut gelernt.
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Wilhelm Busch (1832-1908)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/wilhelm_busch.php
Sie war ein Blümlein...
Sie war ein Blümlein hübsch und fein,
Hell aufgeblüht im Sonnenschein.
Er war ein junger Schmetterling,
Der selig an der Blume hing.
Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm
Und nascht und säuselt da herum.
Oft kroch ein Käfer kribbelkrab
Am hübschen Blümlein auf und ab.
Ach Gott, wie das dem Schmetterling
So schmerzlich durch die Seele ging.
Doch was am meisten ihn entsetzt,
Das Allerschlimmste kam zuletzt.
Ein alter Esel fraß die ganze
Von ihm so heiß geliebte Pflanze.
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Friedrich von Hagedorn (1708-1754)
Susanna im Bade
Susannens Keuschheit wird von allen hoch gepriesen:
Das junge Weib, das jeder artig fand,
tat beiden Greisen Widerstand
und hat sich keinem hold erwiesen.
Ich lobe, was wir von ihr lesen:
doch räumen alle Kenner ein;
das Wunder würde größer sein,
wenn beide Buhler jung gewesen.
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Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php
Telefonischer Ferngruß
Ich grüße dich durchs Telefon,
guten Morgen, du Gutes!
Ich sauge deiner Stimme Ton
in die Wurzeln meines Mutes.
Ich küsse dich durch den langen Draht.
Du Meinziges, du Liebes!
Was ich dir - nahe - je Böses tat,
aus der Ferne bitt ich: Vergib es!
Bist du gesund? - Gut? - Was? - Wieviel? -
Nimm's leicht! - Vertraue! - Und bleibe
mir mein. - - Wir müssen dies Wellenspiel
abbrechen - - Nein "dir" Dank! - - Ich schreibe!
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Friedrich von Hagedorn (1708-1754)
Unvermutete Antwort
Malthin, den Jüngling, fragt Macrin,
Den Rechtsgelehrsamkeit, Amt, Milz und Alter steift:
Wie nennst du einen Kerl, sprich, sprich, wie nennst du ihn,
Den man im Ehebruch ergreift?
Ich nenn' ihn langsam, spricht Malthin.
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Kurt Tucholsky (1890-1935)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/kurt_tucholsky.php
Versunkenes Träumen
Lieblich ruht der Busen, auf dem Tisch,
jener Jungfrau, welche rosig ist und frisch.
Ach, er ist so kugelig und gerundet,
dass er mir schon in Gedanken mundet.
Heil und Sieg dereinst dem feinen Knaben,
dem es freisteht, sich daran zu laben.
Jener wird erst stöhnen und sich recken;
aber nachher bleibt er sicher stecken.
Heirat, Kinder und ein häusliches Frangssäh -
nichts von Liebesnacht und jenem Kanapee...
Ich hingegen sitz bei ihren Brüsten,
und - gedanklich - dient sie meinen Lüsten.
Doch dann steh ich auf und schlenkre froh mein Bein,
schiebe ab,
bin frei -
und lasse Jungfer Jungfer sein.
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unbekannt
Zwei Knaben gaben sich einen Kuss...
Zwei Knaben gaben sich einen Kuss,
der eine, der hieß Julius,
der andere hieß Gretchen,
ich glaub', das war ein Mädchen.
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