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An die Vergessene
Das Grab hat dich verschlungen,
Da schlummert dein Gebein;
Das Sterbelied ist verklungen,
Wer denkt noch fürder dein?
Ach! alle sind verschwunden,
Die einst geweint mit mir;
Ich hab’ allein gefunden
Den stillen Weg zu dir.
Ich kann es nimmer fassen,
Dass noch der Frühling glüht,
Dass nicht die Blumen blassen,
Seitdem du ausgeblüht;
Dass nicht ein schmerzlich Bangen
Durch jeden Jubel geht,
Seitdem du heimgegangen
Sanft, wie ein Nachtgebet.
Unendlich war dein Lieben,
Groß wie die Welt dein Herz;
Dies bleibet tief geschrieben
In meines Schmerzes Erz.
Lass dich getrost vergessen –
Wenn jedes Band zerbricht,
Wenn alle dich vergessen,
Mein Herz vergisst dich nicht!
Ein Lied, das, kaum geboren,
Auf leisem Hauch entschwebt,
Und doch so unverloren
In treuem Busen lebt –
So lebst du mir in Dauer:
Bist ein verklungnes Lied,
Das durch der Seele Trauer
Mit ew’gem Singen zieht.
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Unwandelbar
O fürchte nicht, wenn dir das Alter
Vom Haupte Blüt’ um Blüte bricht,
Dass dann ein Blick, ein trüber, kalter,
Fall’ auf dein bleiches Angesicht.
Wohl blässer wird der äußre Schimmer,
Doch heller wird der innre Schein;
Drum lieber nur und tiefer immer
Schau’ ich ins Auge dir hinein.
Da seh’ ich all’ die Liebesfülle,
Die reicher ward von Jahr zu Jahr;
Es dringet durch des Alters Hülle
Der Seele Schönheit hell und klar.
Da seh’ ich nicht die müden Wangen,
Der Jahre Furchen seh’ ich nicht –
Es ist mir strahlend aufgegangen
Dein innres Engelsangesicht.
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Weihnachtslied
Den deutschen Arbeitern in Paris zum Bescherungsfest
Im Kreise froher Weihnachtsgäste
Sei uns gegrüßt, o Lichterbaum!
Verheißung strahlten deine Äste
Manch kindlichem Erlösungstraum.
Doch was wir mild Beschertes fanden,
Wie stolz das Halleluja klingt -
Der Heiland ist noch nicht erstanden,
Der in die Welt die Freiheit bringt.
Wohl folgten, Lieder auf den Lippen,
Die Weisen Bethleh'ms Leuchte gern;
Wohl lag das Kindlein in der Krippen,
Doch war sein Stern ein Wandelstern.
Die heitern Strahlen flohn und schwanden,
Wo schwarzer Wahn die Schleier schlingt –
Der Heiland ist noch nicht erstanden,
Der in die Welt die Freiheit bringt.
Umsonst mit seines Purpurs Falten
Bedeckt der Gott das Büßerkleid:
Die Gnade mag im Himmel walten,
Die Erde braucht Gerechtigkeit.
Die Liebe zwingt mit neuen Banden,
Ob auch die alte Fessel springt –
Der Heiland ist noch nicht erstanden,
Der in die Welt die Freiheit bringt.
Kein Jenseits kann den Helfer senden,
Den Christ säugt jede Mutter groß;
Die Menschheit muss mit eignen Händen
Erkämpfen sich ihr irdisch Los.
Er kommt in rußigen Gewanden,
Der Retter, der die Hölle zwingt –
Der Heiland ist noch nicht erstanden,
Der in die Welt die Freiheit bringt.
Erkenntnis heißt die Bundeslade,
Die Wahrheit gibt und Tugend schafft;
Und Arbeit heißt die Wirkungsgnade,
Die uns erlöst – durch unsre Kraft,
Wann wir den Erbfluch überwanden,
Der Hand und Hirn der Not verdingt –
Dann ist der Heiland auferstanden,
Der in die Welt die Freiheit bringt.
Schon pflanzt der Geist, der Überwinder,
Der Arbeit großen Weihnachtsbaum,
Um den die Völker einst, wie Kinder,
Sich scharen unterm Himmelsraum.
O Weihtag! wann der ob den Landen
Die ries'gen Lichteräste schwingt –
Dann ist in jeder Brust erstanden
Der Heiland, der die Freiheit bringt.
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