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Karl Kraus (1874-1936) · Titel · Beliebteste

Traum vom Fliegen

Und wieder mir träumte, ich wäre geflogen,
und diesesmal war es doch sicherlich wahr,
denn ich hatte so leicht wie die Luft ja gewogen
und hatte die Knie an den Körper gezogen,
und es ging wie im Flug, im beherztesten Bogen
hoch über der schwergewichtigen Schar,
es war keine Täuschung, ich war nicht betrogen,
es flogen die Stunden, die Tage, das Jahr.

Mit fliegenden Hoffnungen vollgesogen,
so wach' ich mit müderen Gliedern auf.
Zu Lande ist Leben; und angelogen,
vom leichtesten Trug an der Nase gezogen,
aus allen Himmeln zur Erde geflogen,
da lieg' ich, da liegen die Lügen zuhauf.
Und trotzdem bleib' ich dem Traume gewogen,
so läuft er sich leichter, der Lebenslauf.

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Traum-Gedichte

 
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Der sterbende Soldat

Hauptmann, hol her das Standgericht!
Ich sterb' für keinen Kaiser nicht!
Hauptmann, du bist des Kaisers Wicht!
Bin tot ich, salutier' ich nicht!

Wenn ich bei meinem Herren wohn',
ist unter mir des Kaisers Thron,
und hab' für sein Geheiß nur Hohn!
Wo ist mein Dorf? Dort spielt mein Sohn.

Wenn ich in meinem Herrn entschlief,
kommt an mein letzter Feldpostbrief.
Es rief, es rief, es rief, es rief!
Oh, wie ist meine Liebe tief!

Hauptmann, du bist nicht bei Verstand,
dass du mich hast hieher gesandt.
Im Feuer ist mein Herz verbrannt.
Ich sterbe für kein Vaterland!

Ihr zwingt mich nicht, ihr zwingt mich nicht!
Seht, wie der Tod die Fessel bricht!
So stellt den Tod vors Standgericht!
Ich sterb', doch für den Kaiser nicht.

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Kriegsgedichte

 
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Mein Widerspruch

Wo Leben sie der Lüge unterjochten,
war ich Revolutionär.
Wo gegen die Natur sie auf Normen pochten,
war ich Revolutionär.
Mit lebendig Leidendem hab ich gelitten.

Wo Freiheit sie für Phrase nutzten,
war ich Reaktionär.
Wo Kunst sie mit ihrem Können beschmutzten,
war ich Reaktionär.
Und bin bis zum Ursprung zurückgeschritten.

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Politische Gedichte

 
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Kino

Noch lässt sich diese Menschheit nicht begraben,
noch kann’s im Fortschritt weiter gehn.
Erst wenn sie sich ganz und gar im Film gesehn,
dann wird sie am Ende genug von sich haben.

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Epigramme und Kluge Sprüche

 
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Radio

Hat Menschengeist Natur so aufgestört,
dass er sie zwingt, von allem, was da tönt,
ins taube Ohr der Menschheit zu ergießen?
Welch missgestimmtes Maß im Allgenießen,
wie sie Musik aus allen Sphären hört
und nichts von jedem Jammer, der da stöhnt!

O Trost und Trug der Trübsal, die vernimmt,
dass irgendwo die Unbeschwerten tanzen
und irgendwo das Leben ohne Last.
Sie selbst trägt auf dem Rücken ihren Ranzen,
und die das Schicksal an der Kehle fasst,
erfahren, dass die Sänger wohlgestimmt.

Verkehrter Fortschritt in die Weltenkluft,
den schmerzvoll die Natur zur Umkehr wendet,
auf dass die Sänger mit den Hörern tauschen.
Erfüllt vom Gram der Erde sei die Luft!
Auf allen Wellen sei das Weh gesendet,
dass alle Frohen allen Seufzern lauschen!

Misston der Menschlichkeit, Choral der Qualen,
stürz in das grausam lustverwöhnte Ohr
und lasse den Diskant der Dinge hören!
Und was als Wehlaut sich ins All verlor,
soll an dem Tag, der diese Schuld wird zahlen,
erschallen euch als die Musik der Sphären!

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Medien-Gedichte

 
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Nächtliche Stunde

Nächtliche Stunde, die mir vergeht,
da ich's ersinne, bedenke und wende,
und diese Nacht geht schon zu Ende.
Draußen ein Vogel sagt: es ist Tag.

Nächtliche Stunde, die mir vergeht,
da ich's ersinne, bedenke und wende,
und dieser Winter geht schon zu Ende.
Draußen ein Vogel sagt: es ist Frühling.

Nächtliche Stunde, die mir vergeht,
da ich's ersinne, bedenke und wende,
und dieses Leben geht schon zu Ende.
Draußen ein Vogel sagt: es ist Tod.

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Die Zeitung

Weißt du, der du die Zeitung liest,
wie viele Bäume mussten bluten,
damit geblendet von Valuten
du dein Gesicht in diesem Spiegel siehst,
um wieder dich an dein Geschäft zu sputen?

Weißt du, der du die Zeitung liest,
wie viele Menschen dafür sterben,
dass wenige sich Lust erwerben
und dafür, dass die Kreatur genießt
der Kreatur unsägliches Verderben?

Und kannst du, wissend, doch die Zeitung lesen?
Verhängt das Blatt des Tags dir nicht das Licht?
Wie wächst der Trug gewaltig zum Gewicht
und drohend dieser Schein zum Wesen!
Ich seh den Wald vor lauter Blättern nicht!

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Karl Kraus (1874-1936) · Titel · Beliebteste

 

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