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Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942) · Titel · Beliebteste

Abend I

Der Himmel ist vom hellsten Blau
und weiße Wolken lächeln mit ihm.
Und schlanke Bäume, dunkel oder grün,
sehen dich an und sagen lautlos: schau!

Alles ist eingehüllt in weiche Luft,
die still ist, so als ob sie einem Märchen lausche.
Und alle Vögel horchen wie im Rausche -
man hört nur Duft.

Die weißen Wolken blinken wie der Schnee,
der auf Vergißmeinnicht gefallen ist.
Und ganz so blau liegt auch das weiche Weh,
das sich über die Bäume gießt.

Und - sind die Bäume dunkel oder grün?
Sie wissen es wohl selber nicht genau.
In einem Fenster zittert aus dem Blau
ein Tropfen Rot. Sie blühn.

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Ich bin die Nacht

Ich bin die Nacht. Meine Schleier sind
viel weicher als der weiße Tod.
Ich nehme jedes heiße Weh
mit in mein kühles, schwarzes Boot.

Mein Geliebter ist der lange Weg.
Wir sind vermählt auf immerdar.
Ich liebe ihn, und ihn bedeckt
mein seidenweiches, schwarzes Haar.

Mein Kuss ist süß wie Fliederduft –
der Wanderer weiß es genau...
Wenn er in meine Arme sinkt,
vergisst er jede heiße Frau.

Meine Hände sind so schmal und weiß,
dass sie ein jedes Fieber kühlen,
und jede Stirn, die sie berührt,
muss leise lächeln, wider Willen.

Ich bin die Nacht. Meine Schleier sind
viel weicher als der weiße Tod.
Ich nehme jedes heiße Weh
mit in mein kühles, schwarzes Boot.

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Poem

Die Bäume sind von weichem Lichte übergossen,
im Winde zitternd glitzert jedes Blatt.
Der Himmel, seidig-blau und glatt,
ist wie ein Tropfen Tau vom Morgenwind vergossen.
Die Tannen sind in sanfte Röte eingeschlossen
und beugen sich vor seiner Majestät, dem Wind.
Hinter den Pappeln blickt der Mond aufs Kind,
das ihm den Gruß schon zugelächelt hat.

Im Winde sind die Büsche wunderbar:
bald sind sie Silber und bald leuchtend grün
und bald wie Mondschein auf lichtblondem Haar
und dann, als würden sie aufs neue blühn.

Ich möchte leben.
Schau, das Leben ist so bunt.
Es sind so viele schöne Bälle drin.
Und viele Lippen warten, lachen, glühn
und tuen ihre Freude kund.
Sieh nur die Straße, wie sie steigt:
so breit und hell, als warte sie auf mich.
Und ferne, irgendwo, da schluchzt und geigt
die Sehnsucht, die sich zieht durch mich und dich.
Der Wind rauscht rufend durch den Wald,
er sagt mir, dass das Leben singt.
Die Luft ist leise, zart und kalt,
die ferne Pappel winkt und winkt.

Ich möchte leben.
Ich möchte lachen und Lasten heben
und möchte kämpfen und lieben und hassen
und möchte den Himmel mit Händen fassen
und möchte frei sein und atmen und schrein.
Ich will nicht sterben. Nein!
Nein.
Das Leben ist rot.
Das Leben ist mein.
Mein und dein.
Mein.

Warum brüllen die Kanonen?
Warum stirbt das Leben
für glitzernde Kronen?

Dort ist der Mond.
Er ist da.
Nah.
Ganz nah.
Ich muss warten.
Worauf?
Hauf um Hauf
sterben sie.
Stehn nie auf.
Nie und nie.
Ich will leben.
Bruder, du auch.
Atemhauch
geht von meinem und deinem Mund.

Das Leben ist bunt.
Du willst mich töten.
Weshalb?
Aus tausend Flöten
weint Wald.

Der Mond ist lichtes Silber im Blau.
Die Pappeln sind grau.
Und Wind braust mich an.
Die Straße ist hell. Dann...

Sie kommen dann
und würgen mich.
Mich und dich
tot.
Das Leben ist rot,
braust und lacht.
Über Nacht
bin ich
tot.

Ein Schatten von einem Baum
geistert über den Mond.
Man sieht ihn kaum.
Ein Baum.
Ein
Baum.
Ein Leben
kann Schatten werfen
über den
Mond.

Ein
Leben.
Hauf um Hauf
sterben sie.
Stehn nie auf.
Nie
und
nie.

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Kriegsgedichte

 
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Regen

Du gehst. Und der Asphalt ist plötzlich nass
und plötzlich ist das Grün der Bäume neu
und ein Geruch wie von ganz frischem Heu
schlägt dir in dein Gesicht, das heiß und blass
auf diesen Regen wohl gewartet hat.

Die Gräser, welche staubig, müd und matt
sich bis zur Erde haben hingebeugt,
sehen beglückt die Schwalbe, welche nahe fleugt,
und scheinen plötzlich stolz zu sein.

Du aber gehst. Gehst einsam und allein
und weißt nicht, sollst du lachen oder weinen.

Und hier und da sind Sonnenstrahlen, welche scheinen,
als ginge sie der Regen gar nichts an.

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Regengedichte

 
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Rote Nelken

Ich habe Angst. Es drückt auf mich das Dunkel jeder
schwülen Nacht.
Es ist so still, und mich erstickt des großen Schweigens
schwere Pracht.
Warum, warum bist du nicht da? Ich hab' gespielt, ich
weiß - verzeih.
Ich hab' mit meinem Glück gespielt - es ging entzwei -
verzeih.
Es tut so weh, allein zu sein. Drum komm, ich warte ja.
Wir lachen uns ein neues Glück, so glaub es doch und
komm zurück - es ist ja so viel Lachen da.
Schau mich doch an. Ist wohl mein Bild noch da in deinem
fernen Blick?
Ich will dich, wie die Traube will, dass man sie, wenn sie
reif ist, pflückt.
Mein Haar, es wartet. Und mein Mund will, dass du wieder
mit ihm spielst.
Sieh - meine Hände bitten dich, dass du sie in die deinen
hüllst.
Sie sehnen sich nach deinem Haar und sehnen sich nach
deiner Haut,
wie nach dem Traum sich sehnt ein Kind, das ihn auch nur
einmal geschaut.
Schau, es ist Frühling. Doch ist er blind, er weint ja immerfort.

Solange wir nicht beisammen sind, so lange weint er wie der Wind, dem der liebste Wald verdorrt.
Sieh, alles wartet nur auf uns: es warten alle Wege, alle Bänke.
Es warten alle Blumen nur, dass ich sie pflücke und dir schenke.
Du hältst die Sterne, die auf unsrer Schnur noch fehlen, in
der Hand.
Du hast sie keiner anderen umgehangen. Und findest du für sie nicht bald ein neues Band,
so hast du mit den vollen Händen nicht was anzufangen.
Sieh - unsre Schnur, sie wartet noch. Ich hab' sie zärtlich
aufgehoben.
Es fehlt auch nicht ein einz'ger Stern und's ist kein fremder mit verwoben.
Wir müssen nicht um neue Schnüre fragen. Die alte ist
noch schön und lang.
Und hast du auch noch tausend Sterne in der Hand - sie
kann noch zehnmal tausend tragen.
Du bist so stark. Ich möchte mich so gern in deine Arme
lehnen. Wenn du mich führst, so geh ich schnell.
Entsinnst du dich noch jener Nacht, der Schnee war weich
und klingend hell,
in der dein Arm mich stark umfing und ich so schnell und
sicher ging, als wär' ich groß wie du?

O, komm und führe mich so gut von Hindernis zu
Hindernis. Ich will gewiss nicht müde sein,
ich bin dann sicher nicht mehr klein
und brauche keine Ruh'.
Und dann - in unsrem Liebeszelt, o dann, dann werfen wir
der Welt das hellste Lachen zu.
Nicht wahr, du kommst? Ich wein' nicht mehr. O nein,
ich bin ja nicht mehr leer,
du kommst gewiss, du kommst geschwind, o du mein
starker, schöner Wind -
du wirst zum Sturm und reißt mich mit in deinem heißen,
wilden Ritt.
Ich bin noch hier. Der Traum ist aus. Ich bin allein - wie
roter Wein, so kocht mein heißes Blut.
Du bist nicht da - und warst so nah, und warst so süße,
wilde Glut.
Der Frühling weint. Er weint um uns. Wirst du ihn ewig
weinen lassen?
Du bist so gut. Drum komm zurück - du sollst mich um
die Schultern fassen,
wir wollen glühn so wie im Traum, wir wollen blühn wie
Baum nach Baum aufblühen werden dicht bei uns.
Ich will dann lachen. Und dann klingt die ganze Luft - die
Sonne klingt. Das Wasser klingt, es klingt die Nacht -
so hör, ich hab' für dich gelacht!

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Schlaflied

Schlaf, mein Kindchen, so schlaf schon ein,
so schlaf doch und weine nicht mehr.
Sieh nur, im Schlaf ist die Welt ja dein,
so schlaf schon und wein nicht so sehr.

Schließe die Augen und schlafe schon,
hör nur, es rauschet der Wald.
Im Schlafe da gibt es nicht Hass, nicht Hohn,
im Schlafe, da ist es nicht kalt.

Schlafe, mein Liebling, und lächle, Kind,
höre, der Fluss singt sein Lied.
Schlafe, dann singt dir vom Glück der Wind
und singt dir vom Frühling, der blüht.

Schlafe mein Kind und vergiss, was dich schmerzt,
dunkel ist für dich der Tag.
Hell ist die Nacht, wenn der Traum dich herzt,
so schlafe mein Kindchen, so schlaf.

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Spürst du es nicht...

Spürst du es nicht, wenn ich um dich weine,
bist du wirklich so weit?
Und bist mir doch das Schönste, das Eine,
um das ich sie trage, die Einsamkeit.

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Träume

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die süß sind wie junger Wein.
Ich träume, es fallen die Blüten von Bäumen
und hüllen und decken mich ein.

Und alle diese Blüten,
sie werden zu Küssen,
die heiß sind wie roter Wein
und traurig wie Falter, die wissen: sie müssen
verlöschen im sterbenden Schein.

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die schwer sind wie müder Sand.
Ich träume, es fallen von sterbenden Bäumen
die Blätter in meine Hand.

Und alle diese Blätter,
sie werden zu Händen,
die zärteln wie rollender Sand
und müd sind wie Falter, die wissen: sie enden
noch eh' sie ein Sonnenstrahl fand.

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die blau sind wie Sehnsuchtsweh.
Ich träume, es fallen von allen Bäumen
Flocken von klingendem Schnee.

Und all diese Flocken
sie werden zu Tränen.
Ich weinte sie heiß und wirr -
begreif meine Träume, Geliebter, sie sehnen
sich alle nur ewig nach dir.

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Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942) · Titel · Beliebteste

 

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